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Ja   nein   

Die Sonne schien sanft durch mein kleines Fenster auf meinen kuschelig eingedeckten Bauch, neben mir lag der schönste Junge auf der Erde und ich war einfach glücklich. Wie er dort lag, das Gesicht in das weiche Kissen gedrückt, die Decke bis zur Nase gezogen, obwohl sich der Frühling breit machte, wie seine Zehen unten ganz knapp an der Decke raus linsten, er leise atmete und einfach ganz friedlich war. Konnte man das glauben? So etwas steht nicht immer nur in Büchern, komischerweise passiert sowas auch im eigenen Bett.
Ich kroch leise aus meinem Bett, tapste mit meinen nackten Füßen auf den dunklen Holzboden und schlich zu meinem Sessel herüber. „Shit!“, nuschelte ich, als mein Skizzenbuch vom Sessel auf den Boden glitt und einen leisen, dumpfen Knall hervor rief. Ich drehte mich zu meinem Bett um, aber er schlief noch genauso fest, wie zuvor, er hatte sich lediglich gedreht. Mit Skizzenbuch und Bleistift in der Hand kroch ich auf meinen Sessel, Kreativa, wie er ihn immer nannte, und fing an zu zeichnen. Wie die Sonne durch das Fenster auf ihn schien, wie er in die Decke gekuschelt war, jede einzelne Falte, die die Bettdecke warf – diesen unglaublich perfekten Moment. Ich schob meine Kopfhörer rein und vertiefte total in meine kleine Zeichnung, plötzlich warf sich rasch ein Schatten über mich, er war wach. Schnell schlug ich das Skizzenbuch zu und nahm die Kopfhörer ab. „Wie lange sitzt du denn schon hier, Schatz?“ kratzte seine verschlafene Stimme. „Ach, noch nicht all zu lange.“, grinste ich ihn verträumt an. Er hob mich sanft hoch und setzte sich so, dass ich Platz auf seinem Schoß fand.
Wie ich es liebte, wenn er seine langen Arme um meinen Bauch schlug und sein Atem leise und sanft gegen meinen Nacken pustet und sich die kleinen Haare, an meinem Nacken, aufrichteten.
„Wieso zeigst du mir deine Zeichnungen eigentlich nicht mal?“ „Mach ich doch.“ Er piekste mich ganz sanft in die Seite, „Nein, ich meine die Zeichnungen, die in deinem kleinen Buch hier, die hast du mir noch nie gezeigt.“ „Sie sind auch etwas Besonderes!“ Seitdem wir zusammen waren zeichnete ich alle möglichen Dinge, die mit ihm zu tun hatten, in dieses Buch. Was ich sah, wenn ich an ihn dachte, was mich an ihn erinnerte und ihn, so wie heute. „Und ich bin nicht besonders?“, schmollte er gekonnt süß. „Doch, gerade weil du so besonders bist, kann ich sie dir nicht zeigen. Ich zeige sie dir an einem besonderen Tag, oder Moment – versprochen.“

„Mathe und ich, wir hassen uns einfach Mrs. Stewart!“, grummelte ich leicht genervt, als sie mir die dritte fünf auf meinen Tisch knallte. „Das ist ja nicht nur bei Mathe so, nicht wahr Melissa?!“ Wunderbar, da ritt sie diese Woche schon zum gefühlten hundertsten Mal drauf herum, hatten die im Lehrerzimmer denn nichts Besseres zu tun, als über mich her zu ziehen? Jeden Tag sagten mir die Lehrer, dass ich besser werden musste, mich mehr ins Zeug legen müsse, um eine guten Abschluss für’s College zu packen. Aber im Moment war mein Kopf für alles zu haben, nur nicht für Schule. Ich wünschte mir so sehr die Ferien, zwei kleine Wochen, einfach Stress abbauen, die Sonne auf der Haut genießen und unbeschwert sein.
Da war sie, die Erlösung – die Schulglocke. Und das hieß Ferien. Sogar die Lehrer konnten es kaum erwarten die lauen Frühlingstage in Ruhe genießen zu können, ohne diesen ganzen Schulstress.
„Mel, warte.“, rief mich Marta. „Was gibt’s Marta?“, lächelte ich sie an, während ich mein altes knall rotes mit Blumen verziertes Rad vom Ständer schloss. „Fahren wir zusammen heim?“ Ich lachte leise „Aber klar.“ Ich liebte Marta. Sie war so knuffig, trotz ihrer sechzehn Jahre. So unbeschwert und unberührt, obwohl sie das weiß Gott nicht war.

Zusammen fuhren wir durch die Straßen, während die Sonne leicht auf uns drückte. Es war fast sogar schon zu warm für April, aber trotzdem unglaublich schön. Marta erzählte mir von ihrem Freund, Mark. Ein ausgesprochen lustiger Typ! Mit ihm musste man einfach lachen und das Leben genießen, egal wie beschissen es einem ging. Ich liebte Mark dafür, dass er Marta wieder zu diesem unberührten Mädchen machte. Ich dachte an meinen John, was er jetzt wohl machte, ob er vielleicht zu Hause auf seinem Balkon sitzt und die Leute beobachtet, die an seinem Fenster vorbei fahren, während er irgendwelche Songs auf seiner Gitarre klimperte? „Wie läufts eigentlich bei dir und John?“, lächelte mich Marta von der Seite an und riss mich aus meinen Gedanken. „Echt gut. Weißt du, er hat mich in den Ferien zu sich eingeladen.“ „Ja, aber was ist denn daran so besonders, du schläfst doch oft bei ihm?!“, fragte sie verwirrt, weil ich so vor mich hin grinste. „Mit zu seiner Familie, für ein Wochenende. Sie wollen mich unbedingt kennen lernen, hat er gesagt.“, das Grinsen wurde größer und größer. Es mag verrückt klingen, aber ich war total aufgeregt. Ich kannte nur seinen Vater, seine Mutter war früh gestorben und seine restliche Familie lebte auch nicht grade um die Ecke. „Achso, ist ja süß. Wo wohnen die denn?“ „In Newtown, weißt du, da wo auch Jessica mal gewohnt hat, bevor sie hergezogen ist.“ Jessica, die wohl größte Zicke der gesamten Schule, daher wunderte es mich auch nicht, dass Marta ihr Gesicht so verzog. Ich musste lachen. „Keine Sorge, Marta, Johns Familie ist anders. Ich hab schon so viele Bilder gesehen, das ist so eine typische kleine süße Familie, die abends zusammen Karten spielen und Tagsüber draußen rum witzeln.“ Natürlich wollte ich Marta nur verarschen. Klar, seine Familie war anders, aber nicht so. „Warte, du willst mir erzählen, dass Johns Familie so eine kleine Vorzeigefamilie ist und John da auch wirklich zugehört?“ Marta lachte aus voller Kehle und ich konnte es gut verstehen. Wir lachten beide. „Nein, doch nicht mein John, soweit kommts noch!“ „Das stimmt wohl. John ist einfach so ..anders, das würde überhaupt nicht passen.“ John war definitiv anders, also so eine Vorzeigefamilie, genauso wie sein Vater. Sein Vater hatte damals eine Rockband, er war Gitarrist und Sänger – bis er eine Operation an den Stimmbändern hatte und seine Stimme nicht mehr mit spielte. Aber damals, da war er verdammt gut. John war nicht anders, er spielte jede freie Minute auf seinen Gitarren rum, probierte sich hier und dort im Songtexte schreiben und singen. Seine wohl größte Herausforderung ist es aber wohl, mir das spielen bei zu bringen.

„Sag mal, Mel, weißt du denn schon, was du anziehen willst, wenn du zu John fährst?“ Oh Gott, sie hatte recht. Was sollte ich nur anziehen? „Shit! Ich weiß es nicht! Ich war so damit beschäftigt mich zu freuen, dass ich das vollkommen vergessen habe. Dabei passen mir doch kaum noch Klamotten.“ „Kein Wunder, wenn man mal eben vierzehn Kilo abnimmt und gefühlte zwanzig Zentimeter größer wird, Mel.“, lächelte Marta. „Aber keine Panik, liebes, du kommst gleich vorbei und wir beide gehen ausgiebig shoppen, ich seh dich in zwei Stunden am alten Brunnen. Ciao.“, rief sie noch schnell und warf mir einen kleinen Kuss zu, als sie in ihre Straße bog.

Ich beschloss noch einmal schnell einen winzigen Umweg zu fahren und fuhr zu John. Schon von weitem konnte ich ihn sehen, ihn auf seinem kleinen süßen Balkon, auf dem alten Holzstuhl. Langsam und verträumt fuhr ich auf ihn zu, man konnte ihn die halbe Straße runter spielen hören, wie er leise mit summte. „You had my heart inside of your hand…“ sang ich von unten rauf, als ich mein Fahrrad abstellte, er hatte mich nicht bemerkt, wie so oft, wenn er spielte. Er lächelte und sein Dad rief „Hey, Mel.“ „Komm rauf, es ist offen, Schatz.“ Ich lief die Treppen zu ihrer schnuckeligen, Entschuldigung, männlichen Wohnung rauf – sie hassten es, wenn ich schnuckelig sagte, aber sie war schnuckelig. Drei Zimmer mit einer winzigen gelben Küche und einem niedlichen Balkon dran. Eben schnuckelig.
„Magst du mit uns essen? Ich koche Spaghetti.“ „Danke, das ist lieb, aber ich muss gleich los Marta und ich wollten noch in die Stadt.“ Er grinste mich an und winkte mich durch zu John. „Wie kommst du denn zu Adele, Schatz?“ Eigentlich war das nicht so ganz seine Musikrichtung. „Ich hab dich kommen gesehen Schatz und ich weiß das du Adele gut singen kannst.“, lächelte er zufrieden und küsste mich. „Spinner.“
„John hat recht!“, schallte es aus der Küche, von seinem Dad.

„Wie wäre es denn damit, Mel?“ Marta hielt ein schwarzes, schlichtes Kleid hoch. „Das ist verdammt schön. Aber meinst du, ich kann das anziehen? Seh ich dann nicht zu overdressed aus?“ Marta schüttelte wild ihren Kopf. „Nein, liebes. Das steht dir sicher wunderbar. Vor allem mit deiner Figur.“ Marta war seit neustem total neidisch auf meine Figur, das lag daran dass ich schlanker geworden bin und größer – ein gutes Stück größer. „Und guck mal, der Ausschnitt zaubert bestimmt aus deinen Wunderstücken da oben was extrem tolles.“ Wir mussten beide lachen. Ich schnappte mir das Kleid und schwebte glücklich in die Kabine.
„Oh man, Mel. Du siehst so ..so scheiße gut darin aus.“ Ich grinste verlegen vor mich hin und spürte, wie ich leicht rot um die Wangen wurde. „Findest du?“ „Allerdings! Das nehmen wir!“
Dazu kam noch eine haut enge Röhre, neue Tops, eine neue Jacke, Vans und ein paar High Heels, für das neue Kleid.

„Marta? Da müssen wir auch noch einmal rein.“, grinste ich sie an, als wir vor einem Dessous Laden standen. „Achso ist das also, Madame.“, grinste sie still und zog mich rein.
Mitten in gefühlten hunderten Bh’s und Höschen verschwanden wir und wühlten uns durch. Marta fand die Gelegenheit günstig und suchte sich auch was raus. Zufrieden bezahlten wir und gingen aus dem Laden. Ein gelungener Tag.

„Muuuuuuuuum, wo ist meine Tasche, für die Schminke?“, schrie ich durch die Wohnung. „Was weiß denn ich? Vielleicht im Bad, bei deiner Schminke, oder so?“
Schon seit zehn Minuten suchte ich diese dumme Tasche. Ich war viel zu spät dran. Meine Tasche war nur halb gepackt und in zehn Minuten sollte ich schon bei John sein, damit wir los fahren konnten. „Hier Maus.“ Mum stand mit meiner Schminktasche in der Tür und hielt sie mir unter die Nase. „Danke, Mum.“, drückte ich ihr einen kleinen Kuss auf die Wange und suchte meinen restlichen Kram zusammen, war froh das ich doch noch fünf Minuten hatte, schmiss alles in die Tasche und wollte die Tür raus rennen, als Mum mich am Arm zurück hielt und lachte „Weißt du, generell sage ich ja nichts gegen deine Klamotten, aber du kannst doch nicht im Pyjama dort auflaufen.“ Ach shit, ich hatte mich noch gar nicht angezogen sondern alles in meine Tasche gepackt. Ich wühlte alles noch mal raus. Die neue enge Röhre, das Top und die Jacke, schlüpfte schnell rein, zog meine Vans über und stürmte hastig aus der Tür und schnappte mir mein Rad und fuhr zu John.
„Da bist du ja, Schatz.“, lächelte er mich schon an. Vollkommen außer Puste, stieg ich von meinem Rad, stellte es unter und küsste John. „Ach Gott, hattest du Stress mit der Zeit?“ „Ohja!“, schnaubte ich John’s Dad an.
Total nervös und hibbelig saß ich neben John, während der gesamten Fahrt. Ständig gingen mir unzählige Fragen durch den Kopf.
Werden sie mich mögen? Passiert mir auch nichts Peinliches, wie sonst immer? Ob sie mich wohl mögen? Wie soll ich sie begrüßen? Mögen sie mich? Hoffentlich werden sie mich mögen.
Ich war so nervös, wie lange nicht mehr. Seit dem John und ich zusammen waren, war ich nicht mehr das schüchterne kleine Mädchen. Ich wurde selbstbewusster, offener und ein vollkommen neuer Mensch. Ich liebte ihn dafür einfach.
„Kein Panik, kleines, das sind auch nur Menschen.“, lachte John leise. Er beugte sich leicht zu mir rüber und ein kleines Stück runter und flüsterte mir ins Ohr „ich liebe deine neue Hose.“ und schob seine Hand sanft unter meine, auf meinen Oberschenkel.
Das Haus hatte seinen eigenen niedlichen Scharm. Es war keins dieser neuen, eckigen Klötze, die überall rum stehen. Eine fast schon dunkle Fassade mit weißen Fenstern und einer riesigen Eingangstür, die man Stunden lang betrachten könnte.
„Hier wohnt also deine Familie?“, fragte ich John leicht fasziniert. Er lachte leise „Ja, der alte Mann hat hier auch mal gewohnt.“ Sein Vater lachte „Nicht so frech, der Herr.“

Als wir parkten ging schon die riesige Eingangstür auf und ein kleines Mädchen trat heraus. Sie erinnerte mich ein wenig an John, sie sah fast so aus, wie er auf seinen Kindergarten Bildern.
Ihre Haare waren genauso gelockt, wie seine damals, nur blond. Sie hatte die Selben unverschämt schönen und leuchtenden Augen, wie John. Ich hatte noch nie so schöne braune Augen gesehen, wie bei den beiden. „Da wären wir.“, sagte John’s Vater, als er ausstieg und mir die Autotür öffnete.
John lächelte mich aufmunternd an, weil ich so nervös war und schob mich aus dem Auto. Da war sie also, John’s Familie und direkt der erste peinliche Moment. Die Chaosqueen war wieder da und das Selbstbewusstsein war futsch. Dazu meine halben Klamotten auf dem Boden verstreut, oben auf die neue Unterwäsche. Ein gelungener Start.
Lachend packte John alles zusammen und lächelte das kleine Mädchen an „Hey, Joana, das ist Mel. Meine Freundin.“
Verlegen schaute ich sie an, sie lief auf mich zu und fiel mir praktisch direkt in die Arme. „Hallo, Mel.“ „Hey, Joana so heißt du doch, oder?!“ „Ja.“, lächelte sie und rutschte von meinen Armen und ging zu John’s Vater. „Das ist meine kleine Cousine, das Goldstück der Familie.“ „Das glaube ich dir auf’s Wort.“



„Jo, John. Du lebst ja auch noch.“, erschreckte mich eine dunkle Stimme von hinten. „Huch.“, fuhr mir raus. „Mel, das ist Marc. Marc, das ist Mel.“ Peinliches Schweigen und mustern. Wie ich es hasste, wenn man mich so ansah, wie Marc es gerade tat. Von oben bis unten und wieder zurück.
„Du bist also Mel, John hat schon viel von dir erzählt.“, grinste Marc. „Ach, hat er das?!“, lachte ich leise in die kleine Runde. „Man muss ja mit allem was man hat angeben, Schatz.“, schmunzelte John leicht vor sich hin.
„John, was macht ihr denn so lange? Granny wartet, also kommt.“, unterbrach uns sein Vater. Irgendwie war ich froh darüber.
„Granny? Das ist Mel, meine Freundin.“, schob mich John leicht vor sich in den Raum. Plötzlich war da wieder dieses peinliche Schweigen und mustern. „Freut mich …ehm?“ „Mel.“, hielt ich ihr die Hand hin. Leicht wiederwillig schüttelte sie meine Hand. „Einfach nur Mel?“ „Ne, eigentlich Melissa, aber Mel finde ich besser.“, erklärte ich ihr knapp. Jeder nannte mich Mel, einfach jeder. Außer Mum, wenn sie stink sauer war. „John du weißt ja wo das Gästezimmer ist, zeig es doch bitte Melissa.“ Schallendes Lachen, von John. „Granny, da kann ja Dad schlafen, oder der alte Georg, aber Mel schläft in meinem Zimmer.“ Mein Gesicht lief pur rot an, was dachte sie jetzt wohl? Wahrscheinlich das John und ich das Wochenende bei ihr als Freibrief für Sex sehen würden – dabei hatten wir noch nie welchen.
Sie sah mich komisch von der Seite an. „Lass sie Mum, die schlafen auch bei uns zuhause in einem Bett und wie du siehst, wächst bei Mel keine Kugel am Bauch.“ „Nein, das stimmt wohl, sie ist eher mager.“

„Ich glaub sie mag mich nicht sonderlich.“ „Ach quatsch, Schatz. Granny hat so ihre Probleme mit meinen Freunden. Vor allem, wenn sie so gut aussehen, wie du.“, grinste er still und hob mich hoch und ehe ich mich versah lag ich unter ihm auf seinem Bett und war einfach vollkommen glücklich, mit ihm. John war ein Geschenk, nach all der Zeit. Dass sie in diese alte Bruchbude gezogen sind war das Beste was jemals in unserer kleinen Stadt passiert ist. Ich liebte ihn einfach.
„Du? Muss ich eigentlich jetzt alle Familienmitglieder so ..komisch kennen lernen? Ich komme mir ehrlich gesagt vor, wie ein Objekt aus einer Kunstgallerie.“ „Nein, keine Sorge Schatz. Heute Abend wollten sie so ein kleines Barbecue mit ein paar Freunden machen und dann wirst du einfach alle kennen lernen. Ich setz dich nicht der Sturen Welt meiner Familie so schlimm aus, aber du wirst noch merken, wenn sie dich kennen, dann sind sie auch nicht mehr so.“ Hoffentlich!
„Können wir runter gehen, Schatz?“, rief John ins Bad rüber. „Moment noch.“ „Das sagst du jetzt schon seit einer gefühlten Ewigkeit.“, lachte er und talpte zu mir ins Bad. Ich konnte ihn im Spiegel sehen, während ich versuchte meine Haare zu bändigen. Seine Kinnlade klappte auf und sein Mund ging weit auf. „Oho, wer sind sie und wo ist meine schüchterne Chaosqueen?“, lächelte er. „Unter dem schwarzen Fummel.“, lachte ich. Er legte seine Arme um mich und schaute von oben über meine Schulter auf mich runter und fing an zu grinsen. Marta hatte recht, das Kleid zauberte wohl aus jeder Oberweite ein Wunder. „Das ist mir irgendwie auch neu.“, packte John mit einem kleinen grinsen an meine Brüste. Ich musste kichern. Er lächelte. „Das ist nicht neu, das ist alles noch beim alten, Schatz.“ „Es sieht aber neu aus. Oder das Kleid macht’s.“ Ich lachte, windete mich aus seinen Armen, huschte ins Zimmer, schlüpfte in die schwarzen Römersandalen mit Absatz und drehte mich extra langsam vor ihm. „Da scheint mir so einiges neu zu sein, Schatz. Aber das da hinten“, er deutet auf meinen Hintern „ist mir heute Morgen in der neuen Jeans schon aufgefallen. Du solltest öfters mit Marta shoppen gehen.“ „Mach ich.“, lächelte ich und sank in seine Arme.
Es war komisch, ein wenig bedrückend wie mich seine Grandma ansah, als wir in den Garten traten, ebenso wie mich alle anderen ansahen. Alle außer seiner Tante, sie lächelte, kam auf uns zu und sagte mir wie wunderschön ich aussehen würde und wie gut wir beide doch zusammen passen würden. Sofort wusste man, von welcher Frau Joana diese fröhliche, wundervolle Art hatte.

„Nun erzähl doch mal, Mel. Wie war das Wochenende, bei John? Das ist jetzt schon fast eine Woche her und du hast noch kein Wort darüber verloren.“ „Da gibt es einfach nichts zu erzählen, Marta.“ Zum gefühlten Millionsten Mal fragte sie mich das jetzt schon. Langsam nervte sie. „Und wo ist John? Kam er dich nicht sonst immer jeden Mittwoch nach seiner Arbeit abholen?“ „Er kommt nicht.“ „Aber letzte Woche doch auch schon nicht?!“ Verwundert sah Marta mich an. Ihr Blick hatte was Besorgtes. „Was hältst du davon, wenn wir einen Kaffee trinken gehen und du mir in Ruhe erzählst, was los ist?“ Und plötzlich passierte es, das was ich immer vermieden hatte. Das was ich nie wieder in der Schule haben wollte. Tränen, die meine Wangen wie eine Sturmflut eroberten. Ohne ein Wort zu verlieren zog Marta mich an sich und schlang ihre Arme um mich. „Ach liebes, was ist denn nur los?“ Sie wusste genau, wie sehr ich es vermeiden wollte, jemals wieder in der Schule so zusammen  zu brechen. Sie zog mich vom Schulhof, um die Ecke, dort wo uns niemand sehen konnte. Zu der kleinen Hecke, an der wir damals heimlich unsere erste Flasche Vodka aus dem Kiosk um der Ecke getrunken hatten. „Nun erzähl doch mal, was ist los? Hat John Schluss gemacht?“ „Nein ..ja, also nein.“, stolperte aus meinem Mund. „Nein, ja? Was denn nun süße?“ „Er und sein Vater ziehen um.“ „Was, wieso denn das?“ Die Tränen liefen ohne Halt. „Sein Vater hat einen neuen Job bekommen und sie haben ja nicht so viel Geld und sind auf den Job angewiesen. Und jetzt …jetzt ziehen sie ernsthaft nach New York. Wie soll ich dahin kommen?“ Wie sollte ich nur ohne John auskommen? Es tat so weh, wie schon lange nichts mehr. Allein diese eine Woche, in der ich ihn nicht sehen konnte, tat mehr weh, als alles andere auf der Welt. „Und es gibt keine Möglichkeit, dass sie doch nicht umziehen?“, fragte Marta in ihrer Verzweiflung mich zu beruhigen. „Nein, sie haben schon alles gepackt und auch eine neue Wohnung.“
Es ist schwer zu sagen, wer deprimierter guckte. Marta, oder ich. Wir beide starrten auf den Selben dunklen Fleck neben der Hecke, auf dem Asphalt. Wind zog langsam auf, es wurde kälter, ich hatte das Gefühl zu erfrieren. Trotz Sommertemperaturen hatte ich dieses Gefühl schon den ganzen Tag über.
„Morgen ist es soweit Marta, da ziehen sie um. John hat gesagt ich soll auf jeden Fall vorbei kommen.“ „Und wieso habt ihr euch die Woche über nicht gesehen?“ „Na, wegen dem Stress.“

Fast weinend lief ich die Treppen zu John’s Wohnung hoch. Zart und ängstlich klopfte ich gegen die dunkle Tür. Sein Vater öffnete mir. „Hallo Mel. John ist in seinem Zimmer.“
Langsam schlurfte ich durch die Wohnung. Überall standen kleine und große Umzugskartons. Genauso hatte ich die Wohnung kennen gelernt, als sie damals hergezogen sind. Es drückte in meiner Brust.

„Da bist du ja, Mel.“ Nicht einmal Schatz sagte er zu mir, das tat er doch sonst immer. „Ja.“ In schnellen Schritten kam er auf mich zu, machte Platz und bat mir an, mich zu setzen. Eigentlich wollte ich nicht sitzen, doch meine Beine fühlten sich an wie frisch gerührter Vanille Pudding. Wie sehr ich Vanille Pudding doch hasse!
„Was hast du da?“, John zeigte auf die kleine Tüte, die ich mit mir schleppte.
„Achso, das ist für dich. Geb ich dir später.“ Ein dumpfes okey, war alles, was er heraus brachte. „Und …und wann fahrt ihr?“ „Heute Abend.“ „Achso.“ Trübes Schweigen schwappte über uns. Ein Schweigen, das es nie bei uns gab. Reden konnten wir immer, selbst wenn wir bloß über die Wandfarbe redeten. Mir wurde schlecht, irgendwas war hier falsch. „Mel, wir müssen mal reden.“ Und dort war es, das bedrückende, schwere Problem. Ich blickte auf meine Finger und spielte nervös an ihnen rum. „Wenn ich in New York lebe, dann sind wir so weit von einander entfernt. So schrecklich weit. Weißt du, ich liebe dich, Mel. Aber ich denke es wäre besser, wenn wir uns trennen.“ Trocken saß er mir gegenüber und sagte es so, als wäre es bloß ein Referat in der Schule, während mir die Tränen ohne Halt die Wangen runter liefen. Vergebens wartete ich auf eine tröstende Umarmung die er mir für gewöhnlich immer gab. Es war nicht der John, den ich so sehr liebte. „Hier.“, schniefte ich und drückte John die Tüte mit meinem Skizzenbuch über ihn, in die Hand und lief so schnell ich konnte um all die Kartons herum raus, runter und einfach nur weg. Weg, in mein kleines Zimmer. Und da war es. Die Erinnerung an John. Die Bettwäsche in der wir zusammen gelegen haben. Der Stuhl auf dem wir zusammen gesessen haben. Die Filme die wir zusammen gesehen haben. Einfach alles. Wie sollte ich das ertragen? Ich lies mich auf den Boden sinken und weinte ohne Halt, die Tränen hörten nicht auf zu fliesen. Es fühlte sich an, wie das Ende. Ich schnappte nach Luft und hievte mich auf den Rücken. Schritte im Treppenhaus.
„Mein Engel, was ist los?“, hörte ich Mum’s zarte Stimme in meinem Zimmer. „Nichts.“, schluchzte ich. Sie kniete sich neben mich, nahm mich in den Arm und hielt mich fest. Um ehrlich zu sein konnte ich mich nicht daran erinnern, wann sie dass das letzte Mal getan hatte, doch es tat gut, einfach viel zu gut. „John hat Schluss gemacht.“, nuschelte ich in ihre Schulter. Sie zog mich auf ihren Schoß und hielt mich ganz eng fest. So wie ich sie kenne, wusste sie genau, dass es so kommen würde. Als ich ihr sagte, dass sie umziehen werden hatte sie schon diesen bedrückten Blick. Mir war klar, dass dies kommen würde, doch ich hielt mich an seinen Worten fest. „Nichts wird uns trennen, kein Weg dieser Welt.“

Wieder einmal saß ich an meinem Computer und schrieb in diesen kleinen Blog, den niemand kannte. Wie sehr ich hoffte, dass John noch einmal käme. Sich melden würde. Doch das passierte nicht. Ich scrollte durch meinen ganzen Blog bis zum ersten Eintrag. Genau acht Monate war er nun her. Er klang der Art Hoffnungsvoll, doch jetzt waren meine Einträge bloß noch traurig und kaputt. So konnte es nicht weiter gehen, all das musste ein Ende haben. Sollte ich ewig so trist durch die Gegend laufen? Nein, das konnte nicht mein Leben sein.
Fest entschlossen packte ich meine Tasche, lief in die Stadt zum nächsten Friseur und fing an. „Machen sie was neues, was ganz neues bitte.“ Überrascht sah mich die Friseurin an, sie wusste gar nicht wie ihr geschah. Schon lange schnitt sie mir die Haare, doch immer wusste ich was ich wollte. Nie zu anders und nie zu gewagt.
Nach einer langen Diskussion kamen wir zu dem Entschluss, dass meine Haare nicht länger die Selbe Farbe haben sollten. Von hellem blond stiegen wir zu einem braun/rot um, wobei ich eher rot war, aber es gefiel mir. Die Länge blieb. Mein Pony kam weit ins Gesicht, er sah wild aus, doch trotzdem hatte er was Braves. Zufrieden bezahlte ich und ging in die Stadt. Lief durch alle meine Lieblingsgeschäfte und kleidete mich ein wenig neu ein. Ein paar neue ziemlich enge Jeans, Röcke, Sneaker aber auch hohe Schuhe. Tops, Blusen, Strumpfhosen, Wäsche – das komplette Programm. Vollkommen pleite aber zufrieden lief ich erschöpft nach Hause und war gespannt, was Mum sagen würde.
„Mum, wo bist du?“, rief ich durch die Wohnung. „Im Wohnzimmer.“ Langsam ging ich ins Wohnzimmer, richtete im Flur, an dem großen Spiegel schnell noch einmal meine Haare und stand vor ihr. Breites Staunen machte sich in ihrem Gesicht breit. „Wo ist meine Mel und was hast du mit ihr getan?“ „So schlimm?“ „Nein, so gut! Du siehst glatt drei Jahre älter aus. Wie kommt es dazu? Ich dachte du wolltest nie von deinem blond weg?“ Wollte ich eigentlich auch nie – bis jetzt. „Es wurde einfach Zeit für was Neues und nach langem diskutieren kamen wir zum Entschluss, dass das gut zu meinen paar wenigen Sommersprossen passen würde und zu meinen grünen Augen. Du weißt doch, wie begeistert sie immer von meinen Augen ist.“, lachte ich leise.
Mum bestaunte mich von oben bis unten. Ließ mich jedes neu gekaufte Teil anprobieren und war zufrieden mit der Tochter, die sie die ganzen sechszehn Jahre groß gezogen hatte. „Früher hatte ich auch so einen Style wie du jetzt. So Richtung Vintage, Hippie und doch irgendwie Sexy.“ Auch wenn Mum nicht mehr die jüngste war, hatte sie immer noch ein wenig diese Sexy Art an sich. Wie sie manchmal ihr Haar nach hinten warf oder durch die Gegend schlenderte.
„Mum, darf ich heute Abend mit Marta und all denen raus?“ „Aber klar, das darf man der Welt ja nicht vorenthalten.“, grinste Mum.

Marta freute sich von mir zu hören. Ohne langes Gerede sagte sie mir, ich solle vorbei kommen. Dan und Mark wollten auch vorbei schauen und nachher hatten sie vor eine kleine Kneipen-Tour zu starten. Nach dem ich mich in die neuen Sachen geschmissen hatte, alles zusammen gepackt hatte und fertig war lief ich zu Marta.
„Oh mein Gott!“, begrüßte mich Mara, als sie mir die Tür geöffnet hatte. Ich musste lachen, wie süß entsetz sie mich ansah. „Du siehst wunderschön aus, meine Liebe.“ „Spinn nicht rum“, lächelte ich und schob sie leicht zur Seite, drückte die Tür zu und zog sie mit in ihr Zimmer. Dan und Mark tummelten sich auf ihrem Bett und alberten rum.
Endlich zwei, die nicht so ausflippten, weil ich plötzlich nicht mehr blond war. „Sieht echt gut aus, Mel.“, sagten beide.
Es tat gut nochmal diese Bestätigung zu bekommen. Wochen lang saß ich nur in meinem Zimmer und ehrlich, ich sah beschissen aus. Immer zu trug ich weite schlabber Pullis und die Haare ganz hoch gesteckt, Hauptsache keine Arbeit und ich konnte in Selbstmitleid baden. Aber damit war jetzt Schluss, ich war fest entschlossen mich wieder ins Leben zu schmeißen. Wenn John ohne mich konnte, dann konnte ich auch irgendwie ohne ihn!

Mel brauchte noch einen Moment, bis sie sich fertig gemacht hatte, in der Zeit lungerte ich mit Dan und Mark auf ihrem Sofa und Bett herum und laberten über jeden Scheiß – Gott, wie sehr ich das vermisst hatte. Eigentlich verbrachten wir immer viel Zeit miteinander, aber in der letzten Zeit schien ich viel von ihnen verpasst zu haben, viel zu viel.
„So Leute, können wir los?“, fragte Marta, als sie fertig in der Tür stand. In Mark’s Gesicht breitete sich ein kleines Lächeln aus und der pfiff leise. Marta sah klasse aus, so wie immer. Sie hatte ihre langen Haare offen über der Schulter liegen, die eine Seite streng zur Seite gesteckt und die andere so rüber gekämmt, das sie schön fielen und dazu trug sie ihre heißen, ja sie war wirklich heiß, schwarze Röhre und ein weißes einfaches Top – ich konnte Mark vollkommen verstehen.
„Klar.“, lächelte ich Marta an und schleppte mich von dem bequemen Sofa und ging mit den anderen zur Tür raus.

Der Abend war so gelungen wie lange nicht mehr. Die ganze Zeit saßen wir in der kleinen Kneipe an der Straßenecke, lachten und trunken ein wenig, vielleicht auch ein bisschen mehr und letztendlich entschlossen wir uns dazu noch ein bisschen tanzen zu gehen, also packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Weg.
„Was habt ihr eigentlich? Wollt ihr mal tauschen oder was?“, lachte ich. Dan und Mark starrten den halben Weg über schon auf meine Schuhe, also musste ich einfach fragen.
Marta lachte und schien sich gerade vorzustellen, wie die beiden wohl auf meinen Schuhen aussehen würden.
„Nene, lass mal. Wie hoch sind die? Egal, auf jeden Fall zu hoch.“, lachte Dan. Ich wusste selber nicht wie hoch sie waren, aber eigentlich nicht zu hoch, jeden falls taten mir die Füße kein bisschen weh. „Ich würde auf zehn Zentimeter, oder mehr tippen.“, warf Marta ein und stellte sich neben mich. Sie war generell schon ein ticken kleiner als ich, aber da sie auch hohe Schuhe trug war der Unterschied heute Abend nicht größer als sonst. Ich legte meinen Arm um sie, lächelte sie an und flüsterte ihr leise zu „Dan sieht heute Abend ja schon irgendwie extrem gut aus.“ Ein Grinsen machte sich auf ihrem Gesicht breit. Ich kannte dieses Grinsen, sie heckte wieder was aus, ich könnte schwören, dass sie grade überlegte, wie sie uns ein bisschen verkuppeln könnte. Aber ich hatte nichts dagegen, heute Abend war ein neuer Abend, ich lies einfach alles auf mich zu kommen.
„Ich hol mir mal was zu trinken“, schrie ich Marta ins Ohr, während wir tanzten. Ich schlängelte mich durch die ganze tanzende Menge hin zur Bar. Allen Getränken konnte ich gut ausweichen, bis ich an der Bar war. Irgendjemand lies sein Glas fallen und mir spritzte es schön auf meine nackten, in Sandalen gepackte, Füße. „Ach, shit!“, raunzte ich vor mich hin. „Oh man, das tut mir leid.“ Ein etwas älterer Typ, vielleicht zwanzig, stand vor mir und entschuldigte sich, für sein Glas, das meine Füße bewässert hatte. „Kann ich dir als Entschuldigung einen Drink ausgeben.“ Ich fand es übertrieben, aber ich nahm gerne an, zumal mein Geldbeutel auch nicht mehr allzu viel hergab. Er hielt mir einen Drink in die Hand, ich war mir nicht sicher was genau es war. Wahrscheinlich irgend so ein Cocktail, aber er sah lecker aus. „Dankeschön.“, lächelte ich ihn freundlich an. Wir plauderten noch eine Weile, bis mein Cocktail leer war und ich wieder zu meinen Freunden ging. Aber das gehen fiel mir nicht mehr so leicht. „Was war da alles drin?“, nuschelte ich vor mich hin, als mir Dan über den Weg lief. „Ach, hier bist du Mel. Wir haben dich gesucht.“, schrie er mir mit seiner rauen Stimme ins Ohr. „Ich war was trinken.“, lallte ich ihm leicht ins Ohr.
Zusammen gingen wir zu Marta und Mark, wir tanzten wieder. Meine Laune war noch einmal um einiges besser geworden, seit dem Cocktail. Er hatte mir wohl etwas Hochprozentiges gegeben, aber das störte mich auch nicht wirklich. Ausgelassen tanzten wir zu der lauten Musik, lachten und hatten einfach Spaß.

„Oh, Sorry.“, nuschelte jemand als er mich ausversehen anrempelte. Ich kannte die Stimme viel zu gut. Langsam drehte ich mich um und da stand er, genau vor mir. John, er stand dort einfach nur vor mir. Er schien mich erst gar nicht zu erkennen, da es so dunkel war. Wie versteinert stand ich einfach nur vor ihm. Was machte er hier?
Plötzlich spürte ich, wie er mir einen Schritt näher kam und mir tief in die Augen guckte. „Oh mein Gott, Mel?“, sah er mich erstaunt an und nahm meine Haare in seine Hand und strich durch, so wie er es früher immer tat. Und mit einem Mal tat es schrecklich weh, kaum zu glauben, wie sehr es einfach in mir schmerzte. „Was machst du hier?“, lallte ich John total laut ins Ohr. Er sah mich genauso verwundert an, wie Dan zu vor. Eigentlich betrank ich mich nicht mehr so, das hatte ich hinter mir gelassen, aber eigentlich war auch nur der Cocktail daran Schuld und eigentlich wollte ich auch nicht mehr an John denken.
Noch einen Schritt machte er auf mich zu. Ich konnte fast seinen Atem auf meiner Haut spüren. „Kommst du mal mit raus, Mel?“, hauchte er mir mit seiner schönen Stimme ins Ohr und als wäre ich nicht ich selber nickte ich stumm und schwebte hinaus.
Er sah mich ganz genau an, beobachte genau meine neuen Haare und wie ich mich verändert hatte. Er hatte sich aber genauso verändert. Er war noch etwas größer geworden. Seine Haare hatten eine schöne Farbe bekommen, sie waren fast schwarz, aber es stand ihm unglaublich gut, genauso wie dieser drei-tage-Bart, der sein Gesicht viel älter wirken lies.
„Was machst du hier, John?“, sah ich ihn an. Ich merkte, wie mein Kopf anfing zu schmerzen, ich konnte kaum noch stehen, alles drehte sich – ich hatte definitiv zu viel getrunken.
„Ich bin ausgezogen.“, sagte er trocken. „Wieso?“ „Ich wollte dort nicht mehr so leben, auf keinen Fall!“ „Und dein Dad?“ Schweigen. Ein trauriger Blick, auf seinem Gesicht. „Dad ist krank, er hat Krebs im Endstadium, die Ärzte können eigentlich nichts mehr tun, außer ihn mit Medikamenten voll pumpen, damit er die letzten Tage auch noch übersteht.“ „Oh shit, das tut mir schrecklich leid, John.“
Es tat mir leid, wie bedrückt er aussah. Aber viel mehr weh tat es mir, dass er plötzlich wieder vor mir stand, nach all den Monaten, einfach so. Nicht einmal hatte er sich gemeldet, kein einziges Mal.
„Und du? Deine Haare sind jetzt rot?“ „Ja, seid heute Mittag, ganz frisch.“ „Steht dir wirklich gut, so erkennt man deine schönen grünen Augen noch mehr und deine Sommersprossen auch.“ Obwohl ich die eigentlich hasste, mochte John sie umso mehr. Er lag einmal einen ganzen Abend neben mir und versuchte sie alle zu zählen, ich weiß nicht mehr bis wie viele wir kamen, bis wir eingeschlafen sind.
„Wieso John? Wieso?“, platzte aus mir raus. Ich wollte, nein musste einfach alles wissen. „Was wieso?“ „Wieso hast du dich nie gemeldet? Wieso hast du nie auf eine meiner Nachrichten geantwortet? Wieso bist du nicht noch mal gekommen? Wieso ..bist du gegangen? Und wieso bist du jetzt wieder hier?“ Eine kleine Träne lief über meine Wange, er fing sie mit seinem Daumen auf, sah auf den Boden, atmete tief durch und sah mir wieder in die Augen. „Ich dachte es wäre besser so. Ich dachte du könntest mich so besser vergessen, oder eher gesagt ich dich. Eigentlich wollte ich dich nie vergessen, wirklich nicht. Aber ich wusste auch nicht, wie das mit uns gehen sollte. Es tat weh dich nicht zu sehen und es tat genauso weh, wenn du mir Nachrichten geschrieben hast. Zu lesen, dass du gerade in deinem Bett liegst und weinst, weil du mich vermisst, war nicht schön. Am liebsten hätte ich dich in den Arm genommen, so wie sonst immer.“ „Und wieso bist du jetzt wieder hier her gezogen?“ „Naja, es ging einfach nicht. Sei doch mal ehrlich, wie sollte ich dich vergessen können? Du bist einfach viel zu chaotisch, zu sehr du, einfach zu ..wunderbar um dich einfach so zu vergessen. Deine Zeichnungen, die hängen alle in meinem Zimmer. Ich hab sie alle so chaotisch auf gehangen, wie du das wohl auch gemacht hättest.“ Ich musste leicht grinsen. Aber konnte ich ihm glauben? Immerhin liebte ich ihn, aber genauso froh war ich, heute endlich drüber hin weg zu sein. „John …ich liebe dich, aber du hast mir weh getan, unglaublich weh getan..“ Wieder schweigen. „Ich verstehe“, nuschelte er „tut mir leid, das ich jetzt wieder in dein Leben gestolpert bin, vergiss mich wieder Mel.“ Er drehte sich um und ging wieder rein. Kurz nach ihm ging ich auch wieder rein, nirgendswo war er zu sehen. Genauso wie er wieder in mein Leben kam, verschwand er auch wieder. Ich ging zurück zu Marta, Mark und Dan. Auf dem Weg zu ihnen ging ich noch einmal an der Bar vorbei und bestellte mir einen kleinen Schnaps auf den Abend. Dan sah etwas unbeholfen neben Marta und Mark aus, wie sie dort tanzten. Ich schnappte ihn mir und fing an mit ihm zu tanzen. Er fühlte sich warm an, genau das was ich grade brauchte. Ich merkte, wie dieses Gefühl wieder kam, dieses Gefühl mehr getrunken zu haben, als ich sollte. Aber es tat gut, es tat einfach zu gut.

„Pssscht, du musst leise sein.“, lachte ich leise zu Dan, der versuchte mich grade die Tür rein zubekommen. Er schloss die Wohnungstür auf und schob mich eher rein, als das ich ging.
In meinem Zimmer herrschte wie immer ein kleines Chaos, ich schmiss alles von meinem Bett, Dan schloss die Tür zu, damit meine Mum nicht wach wurde. Ich ließ mich einfach auf mein Bett fallen und versuchte meine Hose aufzubekommen. Der ein oder andere Schnaps war vielleicht wirklich zu viel gewesen. Dan lachte mich leicht aus. „Mel, ich glaub du hast zu viel getrunken.“ Er setzte sich neben mich, während ich versuchte meine Jeans zu öffnen, er nahm mein Bein auf seinen Schoß und zog mir meine Schuhe aus, legte sie zur Seite und grinste. „Klappt es?“ Ich schüttelte meinen Kopf. Dan lachte nur leise über mich. Er sah richtig schön aus, als das Licht vom Mond so leicht durch mein Fenster zu ihm kam. „Wieso haben unsere Hosen auch so kleine Knöpfe und nicht so große, wie an euren Hosen?“, grummelte ich, schob Dan’s Shirt hoch und sah mir seinen Hosen-Knopf an. „Siehst du, der geht garantiert viel leichter auf.“ Wieder lachte er. „Ne, ich glaube nicht Mel.“ Und ehe er den Satz ganz ausgesprochen hatte, hatte ich seinen Knopf irgendwie aufbekommen und lachte zufrieden und rechthaberig vor mich hin. „Siehst du, vieeeeel schneller.“ Wieder versuchte ich meine Hose aufzubekommen. Dan beugte sich lachend über mich und machte meine Hose auf. „So, jetzt schaffst du’s.“, grinste er. Mir gefiel sein Grinsen. Mein Blick fiel in seine Augen, glasklare blaue Augen. Ich musste lächeln. „Du Dan, wie kommst du eigentlich nach Hause?“ „Ouhm, zu fuß.“ Er wohnte auf der anderen Seite der Stadt und eigentlich legte er den Weg immer mit dem Auto zurück und nicht zu fuß. „Ach, ne das geht nicht. Du schläfst hier, das passt schon.“ Ich strammpelte meine Hose runter und knuffte mich in die Ecke. „Na, los der Weg ist eh zu weit, nachher passiert dir was.“ Nach kurzem überlegen streifte er sich die Jeans von seinem Körper und warf sie hinter sich. Ich hatte ja keine Ahnung, was Dan für einen tollen Körper hatte. Er kroch unter die weiche Decke und lachte leise, mit mir zusammen. „Ach Scheiße“ nuschelte ich „ich kann doch kein Seiden Top beim schlafen an lassen.“ Dan lachte mich laut aus. „Ich lass auch mein Lieblings Shirt an, außerdem ist das eh alles vom tanzen verschwitzt.“ Ich kletterte mühsam über Dan und zog mein Shirt aus. „Ja, umso ekelhafter ist es doch.“, lachte ich und schwankte durch mein Zimmer zum Bett zurück, kletterte wieder über Dan und legte mich hin, merkte aber nicht, dass ich halb auf ihm lag. „Mel, du liegst auf mir.“, hauchte er leise, vielleicht war er müde? „Sorry.“, nuschelte ich und rutschte noch ein Stück weiter und dreht mich zu Dan. Er sah mich auch an. Ich kuschelte mich leicht an, weil mir etwas kalt wurde und konnte irgendwie nicht wiederstehen. Seine Lippen fühlten sich schön auf meinen an, sie waren weich, aber für einen Jungen gerade richtig, fand ich. Sein Bauch fühlte sich weich und muskulös an. Er sah mich leicht entschuldigend an, als meine Hand so über seinen Bauch streichelte. „Wieso guckst du so?“, flüsterte ich, als es mir selbst bewusst wurde. Ich konnte es gut spüren und es störte mich nicht, kein bisschen, es gefiel mir viel mehr.
Sein Gewicht auf mir zu spüren gefiel mir ebenso, sein Gesicht zu betrachten, über seinen Rücken zu streicheln und der ganze Moment.

Eingekuschelt wachte ich auf, als ein Handy klingelte. „Dan, ein Handy klingelt, ich glaube es ist deins.“, nuschelte ich im halb Schlaf. Er zuckte müde mit den Augen, nahm sein Handy und machte es aus, meins gleich mit. Er zog mich wieder an sich ran und wir lagen still da. Es war schön, es war wirklich schön dort so zu liegen. Er küsste vorsichtig auf meinen Nacken, wieder fühlte es sich ganz warm an. „Erinnerst du dich noch an letzte Nacht?“, fragte ich leise und ganz vorsichtig. Er küsste noch einmal auf meinen Nacken und hauchte ein sanftes „Ja“ dagegen. Ein Lächeln machte sich auf meinem Gesicht breit. „Ey, wieso rutschst du weg?“, nuschelte ich verwundert, als es plötzlich ganz kühl an meinem Rücken und Po wurde. „Nur so.“, flüsterte er leise und mir dämmerte es. Ich drehte mich um und lächelte ihn an. „Mum ist arbeiten.“ „Und das heißt? Kein Frühstück, oder was?“, lachte er leise. „Nein, okey doch.“, lachte ich. Er lachte mit mir und versuchte mir geschickt auszuweichen, als ich ihm näher rutschen wollte. Sein Gesicht blieb mir so nah, doch sein Bauch entfernte sich immer mehr von mir. Ich legte meinen Arm um seine Taille, auf den Bund seiner bunt karierten Boxershort, und drückte ihn mühsam wieder zu mir. „Deswegen musst du nicht immer die Flucht ergreifen.“, lächelte ich zufrieden.
Und da war es, das zweite Mal, dass wir miteinander schliefen.

„Ich kann dir Nudeln kochen?“, schlug ich Dan vor, dessen Magen unglaublich knurrte. Den ganzen Tag hatten wir nur im Bett verbracht. Bis wir letztendlich schon sechs Uhr hatten. „Gern.“, sagte er und setzte sich an den kleinen Tisch. „Hier klebt n Zettel, Mel.“ „Sicher von Mum, liest du mal vor?“
Ich kochte Dan ein paar Nudeln während er vor las. „Hey, meine kleine. Ich bin arbeiten und später mit Mona unterwegs, wartet nicht auf mich, kann spät werden. Küsschen.“ Sie hatte ‚wartet‘ geschrieben, sie hatte Dan gesehen. Ich dachte ich würde Angst haben, aber es war ein schönes Gefühl.
„Da, bitte schön. Nudeln mit Ketchup.“, grinste ich Dan an. „Willst du nichts?“, sah er mich fragend an. „Ne, ich hab keinen Hunger.“ Ich setzte mich zu ihm an den kleinen Tisch und erzählte ihm irgendwas. Magenknurren, aber es war nicht seiner, mein Magen knurrte laut auf. „Also keinen Hunger, hm?“, lachte Dan drehte Nudeln auf seine Gabel und schob sie mir in den Mund, vollkommen bemüht nichts auf den Tisch zu kleckern, während er seine Hand über den Tisch führte. „Okey, okey, vielleicht doch.“, lachte ich als mein Magen nochmal so laut knurrte. Dan rutschte mit seinem Stuhl ein Stück zurück und lächelte „Komm her.“ Er deutete auf seinen Schoß. Ich stand auf und setzte mich auf seine warmen Beine. Dan schob mir immer wieder Nudeln in den Mund. Ab und zu küsste er dabei über meine Schulter, oder über meinen Hals. Etwas verrenkend drehte ich meinen Hals zu Dan um ihn zu küssen. Zu unbequem dachte ich mir und schob den Teller Nudeln zur Seite, stand kurz auf und setzte mich vorwärts auf seinen Schoß um ihn zu küssen. Er hob mich hoch und trug mich wieder in das warme Bett zurück.
Das dritte mal – und es war genauso schön wie die beiden Male davor. Ich wusste nicht, was in uns gefahren war. In weniger als vierundzwanzig Stunden hatten wir nun schon das dritte Mal mit einander geschlafen.

„Sag mal Mel, was läuft da eigentlich zwischen dir und Dan, hm?“, grinste mich Marta an, als wir durch den Supermarkt liefen um ein paar Kleinigkeiten einzupacken. „Wieso?“, grinste ich vor mich hin. „Seit wir vor drei Wochen in dem Club waren hängt ihr pausenlos aneinander und du grinst nur, wenn man seinen Namen sagt.“ Ich versuchte mir mein Grinsen zu verkneifen, aber es ging nicht. „Naja ..also er hat mich ja nach Hause gebracht.“ „Ja, und?“, grinste Marta neugierig, als sie eine Flasche Wein in den Einkaufswagen packte. „Naja, ich weiß auch nicht. Er wollte zu fuß nach Hause gehen, aber das konnte ich ihm ja nicht antun, also hab ich ihm angeboten bei mir zu schlafen.“ Marta grinste noch neugieriger, als vorhin schon. „ Und ich war betrunken, mir war kalt, also kuschelte ich mich an ihn. Du glaubst ja gar nicht, wie muskulös der Junge ist. Naja, auf jeden Fall hab ich so was über seinen Bauch gestreichelt, glaube ich, und plötzlich wurde sein Blick ganz verlegen, erst hab ich das ja nicht geschnallt, aber dann ja ..dann.“ „Neeeeein, ehrlich? Also habt ihr miteinander geschlafen?“ Grinsen. „Ja.“ Marta grinste ganz verzaubert. „Gleich 3 Mal.“ Marta sah mich erschrocken an. „3 Mal?“ „Ja, am ersten Tag.“, rutschte mir raus und ich lief ganz schnell weiter in den nächsten Gang. Marta eilte mir hinterher. „Warte, am ersten Tag? Wie viele Tage gab es denn?“ „Naja ..die ganzen letzten Tage?“, grinste ich verlegen. „Entschuldige bitte die Frage, aber ging euer Tempo so weiter?“, lachte Marta leise. „So und an manchen Tagen vielleicht auch besser.“, lachte ich sie laut verlegen an. Sie sprang mir um den Hals und grinste mich an. „Ach, meine Mel wird erwachsen.“
„Mum, ich bin wieder zu Hause.“, rief ich durch den Flur. „Ich bin in der Küche.“ Ich schluffte durch zur Küche. Mum war nicht alleine. „Hey, Mona.“, lächelte ich Mum’s beste Freundin an. „Hallo, Mel. Ich hab gehört du hast einen neuen Freund?“ Sofort dachte ich an Dan und musste grinsen. „Ja.“
Mum degradierte uns alle ins Wohnzimmer, nahm eine Flasche Sekt mit und lächelte „So die Damen, sowas muss gefeiert werden.“ Und grinste mich an. Wir setzten uns um den kleinen Wohnzimmertisch auf große Kissen und tranken Sekt, stießen darauf an, dass alles wieder gut war. „Ach und Maus? Ich weiß es.“ Panik stieg in mir auf. Was wusste sie? Das Dan und ich miteinander schliefen und das nicht grade selten?
Sie stand auf ging in den Flur und kam recht schnell wieder. In ihrer Hand hielt sie eine Schachtel Zigaretten. Ich atmete auf. Wenn das alles war, was sie meinte. „Es ist mir lieber du erzählst mir das, als das du des heimlich machst, okey?“ Ich nickte zustimmend und trank noch einen Schluck Sekt. „Und das du mit Dan schläfst, ist ja nicht schlimm, aber könntet ihr demnächst was leiser sein? Als ihr von der Party kamt, den einen Abend, war es nicht so schön.“ Ich spuckte den Sekt fast auf den Tisch. Mona lachte laut los. Mum war leicht angetrunken, sonst würde sie das so nicht sagen. „Okey.“, nuschelte ich vollkommen verlegen. „Wie lange seid ihr denn schon zusammen Mel?“, lächelte Mona. „Gute drei Monate.“, lächelte ich sie an.

Ich tanzte zufrieden von der Küche wieder ins Wohnzimmer, wo Marta, Mark und Dan saßen und sich den Film ansahen. Ich schob mir eine Salzstange in den Mund, als Dan mich auf seinen Schoß zog und seine Arme um mich schlang, seine warmen, großen, starken Arme. Ich drehte mich seitlich auf ihn um ihn zu küssen. „Ich liebe dich.“, hauchte er mir leise ins Ohr. Da war er, da war er dieser magische Moment. Ich konnte die Vorsichtigen Blicke von Marta und Mark spüren. „Ich liebe dich auch, John.“, hauchte ich leise. Plötzlich wurden aus den vorsichtigen Blicken entsetzte Blicke. „Es ..es ..es tut mir leid.“, stammelte ich und rannte ins Bad. Ich hatte Dan gerade John genannt, wie konnte das nur passieren? Verzweifelt lief ich im Kreis, setzte mich auf den Boden und lief weiter. Ich sah immer wieder den zerschmetterten Blick von Dan vor Augen. Wie konnte ich ihm nur sowas antun?
„Mel, mach mal bitte auf.“, klopfte Marta an die Tür. Ich entriegelte das Schloss und lief weiter wie aufgescheucht durch das Bad. „Liebes, was ..was ist mit dir?“ „Das …das tut mir leid, ich wollte das nicht. Es ..tut mir wirklich leid, das war keine Absicht.“ Marta packte mich an den Armen und hielt mich stramm fest. „Melissa, jetzt sag mir ganz ehrlich, wieso hast du zu Dan John gesagt?“ „Ich ..ich weiß es nicht. Er sagte ich liebe dich und ich sagte ich liebe dich und ich sagte John und ..es tut mir ja so leid.“ „Mel!“, rüttelte mich Marta. „Mel, war das John, der dich an dem einen Abend in dem Club angerempelt hat?“ Ich nickte still. „Wusste ichs doch, ich war mir aber einfach nicht sicher.“ Sie nahm mich in den Arm und ich fing an zu weinen. „Mel, was hat er gesagt?“ „Das er mich liebt, das er wegen mir wieder nach hier gezogen ist, dass sein Vater fast tot ist und ich ..ich hab ihn einfach gehen lassen. Marta, ich hab ihn einfach gehen gelassen. Den Jungen, den ich über alles liebe.“ „Aber ich dachte du und Dan? Du sahst so glücklich aus.“ „War ..bin ich auch. Aber wegen John.“ „Ich versteh nicht ganz, John ist doch gar nicht hier.“ „Aber Dan ist wie John.“ Mit einem Mal wurde es mir ganz klar. Dan war wie John. Wie er mich in den Arm nahm, wenn mir kalt wurde, wie verlegen er sich wegdrehte, wenn er morgens eine kleine Morgenlatte hatte, wie er mich auf seinen Schoß zog und seine Arme um mich schlug, wie er redete, wie sehr er Nudeln liebte und wie sehr er mich liebte. Nur liebte ich nicht Dan, sondern John. „Marta, ich muss John finden.“ „Aber Mel, du weißt doch gar nicht, wo er wohnt oder sonst was!“ „Da war letztens was in der Zeitung.“ Ich stürmte ins Wohnzimmer und kramte die Zeitungen heraus. Ich hob meinen hob meinen Kopf und sah ihn da sitzen. Dan, wie er ganz zerknittert dort saß und mich anstarrte. Ich stand auf, ging zu ihm und kniete mich vor ihn. „Dan? Es tut mir außerordentlich leid, wirklich. Ich kann nicht beschreiben, wie sehr. Einfach viel zu sehr. Die Zeit mit dir war unglaublich schön ..aber, ich liebe dich nicht. Es tut mir so leid.“ Ich streichelte über seine Wange und küsste auf seine Stirn. Und dann widmete ich mich wieder den Zeitungen. Da war sie. Ich schlug die Todesanzeigen auf. „In tiefer Trauer sprechen wir unser Beileid aus, für Mr. John Stevens, wir alle trauern mit ihm um seinen liebenswürdigen Vater Joe.“ Johns Vater war gestorben. Ich hatte die Anzeige nur kurz überflogen und es gar nicht wirklich wahr genommen. Ich schnappte mir meine Schuhe und lief raus, ich lief so schnell ich konnte zum Friedhof. Ich suchte alles ab, aber ich fand nirgendwo jemanden.
„Miss? Kann ich ihnen helfen?“, sprach mich plötzlich ein älterer Mann von hinten an. „Ja, wissen sie zufällig wo das Grab von Joe Stevens ist?“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Der arme Junge er tut mir so leid. Jeden Tag kommt er nach hier und steht einfach still vor dem Grab da, manchmal redet er sogar mit seinem Vater.“ „Und, wo finde ich das Grab?“ „Gleich dort hinten, du musst einfach nur immer grade aus.“ „Danke.“, rief ich und lief weiter. Da stand er. Dieser große, muskulöse Junge. Vollkommen eingeknickt und traurig sah er aus. Langsam ging ich näher an das Grab heran, ich konnte hören, wie John redete, nur konnte ich nicht verstehen, was er sagte. Umso näher ich ihm kam, umso bedrückender wurde die Situation. „J..john?“, fragte ich zaghaft. Er drehte sich um und sah mich verwundert an. „Mel? Was tust du denn hier?“ „Ich ..ich hab dich gesucht.“ „Wozu?“ Er sah so fertig aus. Er hatte dicke Ränder unter seinen Augen, und sah aus, als hätte er seit Wochen nichts anderes getan, als geweint. „Ich muss dir was sagen.“ „Was denn?“, nuschelte er.
„Hast du noch die Zeichnungen, von mir?“ „Ja, willst du sie etwa wieder haben?“ „Nein, nein. Sie gehören dir. Erinnerst du dich noch, wie ich sie dir damals hingeworfen habe und raus gelaufen bin?“ „Ohja. Es tat mir so leid Mel, wirklich.“ „Weißt du, du hast mir wirklich unglaublich weh getan. Ich bin bis zu dem Abend wo wir uns über den Weg gelaufen sind nur damit beschäftigt gewesen dich zu vermissen. Jeden Tag saß ich still auf meinem Bett und hab nichts weiter getan, als die Wand anzustarren. Ich hab mir einen Blog zugelegt, der immer deprimierender wurde. Und an dem einen Tag wurde mir bewusst, dass es so nicht weiter gehen konnte. Immer nur im Selbstmitleid baden, das ging so nicht. Deswegen habe ich mich verändert. Ich hab mir vorgenommen jetzt jeden Tag auf mich zukommen zu lassen. Nach keinem Glück zu suchen, sondern es einfach auf mich zu stolpern zu lassen, mir auf die Füße trampeln zu lassen. Und John, genau das bist du an dem Abend.“ Er sah zu mir auf. „Was soll das alles heißen Mel?“ „Was das heißen soll? Das ich dumm war, das ich unglaublich dumm war! Ich hab dich gehen lassen, den Jungen den ich am meisten Liebe. Ich komme mir vor wie in einem dieser kitsch Filme, wo am Ende jemand um seine Liebe kämpft und sie glücklich bis an ihr Ende leben. Aber ich erhoffe mir nicht so ein grauenvolles Ende. Ich will ein hier und jetzt.“ Plötzlich fing es an zu regnen, kleine einzelne Tropfen ließen sich in meinem Gesicht nieder. Ich ging auf John zu. Er ließ sich schlaff in meine Arme fallen und weinte. Es war das erste Mal, dass ich John weinen sah. „Ich kann nicht mehr.“ Ich schlang meine Arme um ihn und hielt ihn fest. „Dad ist tot, er ist einfach gestorben, einfach so. Einfach so ist er gestorben, aber ich brauche ihn doch.“ Er weinte immer mehr. „Ich lag grade in meinem Bett, als das Krankenhaus anrief. Sie sagten ich solle schnell vorbei kommen, es sähe nicht gut aus. Ich hatte Angst und weißt du, ich habe dich angerufen an dem Abend.“ „Was? Wann?“ „Ein Junge ging ran. Erst dachte ich, ich hätte mich verwählt und dann sagte er ‚Schatz, Telefon.‘ und deine Stimme ertönte, als du sagtest du hast grade keine Zeit. Ich hatte einfach aufgelegt. Es tat so weh zu wissen, dass du einen neuen Freund hast.“ Wir setzten uns auf den Nassen Boden. „Weißt du was John? Der Junge hat mir vor einer halben Stunde gesagt, dass er mich liebt. Und weißt du was ich gesagt habe?“ „Vermutlich, dass du ihn auch liebst.“ „Nein, ich habe gesagt ‚ich liebe dich auch John‘, denn weißt du, ich liebe dich John. Ich hab dich nur versucht zu ersetzen, aus Sehnsucht. Aber ich liebe dich John, ich liebe nur dich.“ Er weinte und fing an zu grinsen. „Wieso grinst du denn jetzt?“, fragte ich verwundert. „Weil du mich liebst.“ Er küsste mich. Seine weichen, vom Regen nassen, Lippen lagen auf meinen und es fühlte sich wunderschön an. Ich nahm seine Hand und führte sie zu meinem rasenden Herzen. Seine Hand war ganz kalt. Er grinste unentwegt weiter. „Schatz, was grinst du so?“, flüsterte ich glücklich. „So hab ich mir das immer vorgestellt, weißt du.“ „Was hast du dir so vorgestellt?“ er küsste mich sanft und hauchte leise. „Sterben, neben dir sterben. Ich liebe dich Mel.“ Seine Augen fielen langsam zu. Ich rüttelte ihn wie wild. „John, nein!“, schrie ich ihn an. Er atmete immer noch ganz leise vor sich hin. Durch das schütteln fiel aus seiner Tasche eine große Packung Schlaftabletten. „NEEEEEEIN, John, bleib hier!“, weinte ich und legte meine Stirn an seine Brust. Sein Herz schlug immer noch, aber immer wieder ein bisschen leiser. „Gott, Kind. Was ist los?“, kam der Mann von zuvor. „Schnell rufen sie einen Krankenwagen, looooooooos!“, schrie ich den Mann verzweifelt an. Er nahm sein Handy raus und rief so schnell er konnte einen Krankenwagen an.

„Maus? Wach auf.“, streichelte Mum mir über den Kopf. „Hm? Was ist los?“ „Du brauchst auch mal Ruhe, John wird hier gut versorgt. Du bist schon den ganzen Tag hier.“ „Ich bleibe so lange hier, bis John aufwacht, Mum!“, protestierte ich und schickte sie wieder raus. Ganz langsam kroch ich zu John ins Bett und legte mich neben ihn. Er war so kalt, fast als wäre er tot, aber die Maschinen gaben immer noch dieses grauenvolle piep, piep von sich. Die Ärzte hatten gesagt, dass die Tabletten ihm schwer zugesetzt hätten und wenn ich nicht gewesen wäre, würde er nun nicht hier liegen.
„Du brauchst ja ganz schön viel Platz.“, nuschelte eine leise Stimme und holte mich aus meinem Schlaf. Ich öffnete meine Augen und sah direkt in Johns offene Augen, die mich versuchten anzulächeln. „John, du bist wach!“, strahlte ich. „Na klar, was auch sonst.“, lächelte er leise und nahm mich in den Arm. „Danke Mel, danke.“ „Wofür?“ „Dafür, dass du da warst. Ich hätte niemals gedacht, dich dort zu sehen, denn wenn, dann hätte ich nicht diese Tabletten genommen.“ Sein Blick wirkte bedrückt. „John? Versprech mir, dass du immer bei mir bleibst.“ „Versprochen mein Engel.“, er küsste ich sanft auf die Stirn.
Ein lautes Piep ertönte. Ich erschrak und wurde wach. Es war dieses ekelhafte Gerät, an dem John angeschlossen war. „John, nein, nein nein. John, nein.“, weinte ich ganz stark neben ihm. „Nehmt das Mädchen weg.“, hörte ich einen Arzt sagen. Eine Krankenschwester versuchte mich wegzuzerren, doch ich ließ mich nicht weg zerren. Ich sah zu, wie sie versuchten John wieder zu beleben, wie sie Strom durch seine Brust jagten und wie das grauenvolle Piep blieb. Er war tot. Er war vor meinen Augen gestorben, einfach so. „NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIN!“, schrie ich weinend und entriss mich aus den Armen der Schwester und lief zu ihm, nahm seine Hand und küsste ihn immer und immer wieder. Nichts passierte. Er lag einfach so da, ohne Regung, ohne Gefühl. Er war tot, einfach so.

         


                                                                    if i could, i would turn back time.

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