Ich schaue aus dem Fenster, schon wieder ein regnerischer Tag.
Seit dem Vorfall hat es nicht mehr aufgehört zu regnen.
Nein, ich möchte nicht schon wieder daran denken.
Eine Leere füllt meine Seele und meinen Körper.
Für einen Moment ist mein Leben wieder ausgeblendet.
Bilder und Stimmen schießen durch meinen Kopf.
Ich halte das nicht aus.
Lasst mich einfach in Ruhe, ich will nicht mehr.
Ich höre wie der Wind den Regen an die Fensterscheibe schlägt.
„Es ist aus“, höre ich mich in meiner Erinnerung sagen.
Nun habe ich die Situation wieder direkt vor meinen Augen.
Ich und mein Freund vor unserem ersten und auch letzten größeren Streit.
„Ich will dich nie wieder sehen“, hörte ich mich in Tränen ausgebrochen schreien.
Wenn ich doch jetzt nur aufgehört hätte, warum musste ich weitermachen?
Warum?
„Ich wünschte, ich hätte dich nie kennen gelernt und einfach aus meinem Leben verschwinden.
Hör auf mein Leben weiter kaputt zu machen.
Ich wünschte, du würdest einfach sterben.“
Ich hatte es tatsächlich gesagt.
Er bot mir die ganze Zeit an, mit ihm reden zu können, aber ich bin nicht darauf eingegangen, warum bloß?
Warum bin ich nicht darauf eingegangen?
„Ich liebe dich doch mehr als alles andere auf dieser Welt“, erwiderte er.
„Ich möchte das, was mir am Wichtigsten ist, nicht verlieren.
Wenn du nicht mehr in meinem Leben bist, wie soll ich ohne dich weiterleben?“
Selbst diese Worte konnten mich nicht mehr berühren.
Sie ließen mich einfach kalt.
War es soweit gekommen?
Bin ich wirklich so geworden?
„Du bist das Letzte“, antwortete ich kalt.
Ich konnte es nicht ertragen, zu wissen, dass er dieses verdammte Mädchen lieber hat als mich.
Ich kann mich noch genau daran erinnern.
Er hatte keine Zeit mehr für mich.
Er war nur noch bei diesem Mädchen.
Es kotzte mich an.
Ich hielt das nicht mehr länger aus.
Was dann passierte, werde ich mir nie verzeihen.
Ich hatte ihm eine geknallt und bin weinend davon gelaufen.
Ich hatte den Rest des Abends bei mir zu Hause verbracht und bin dann letztendlich an diesem Abend früh ins Bett gegangen.
Am nächsten Tag wachte ich auf.
Es war mein 18. Geburtstag.
Ein trister 18. Geburtstag.
Es regnet aus Kübeln, obwohl die Wettervorhersage Sonne versprochen hatte.
Doch nicht nur das war komisch an diesem Morgen.
Ich hatte auf einmal so ein Gefühl, ein Gefühl, was ich zuvor noch nie fühlte.
Es war ein sehr komisches Gefühl.
„Muss wohl wegen dem Streit mit ihm etwas zu tun haben“, dachte ich.
Diese Vorahnung sollte sich jedoch bald bestätigen.
Es klopft an meiner Tür, meine Schwester betrat das Zimmer mit einem Gesicht, das ich noch nie zuvor gesehen habe.
Sie sieht traurig aus.
„Hey, was ist denn los“, fragte ich sie ganz besorgt und nahm sie in den Arm.
Sie brach fast in meinen Armen zusammen.
„Geht es dir nicht gut, bist du krank“, wollte ich wissen.
Doch mehr als ein schluchzendes „N-ei-n“ sagte sie nicht.
Doch sie riss sich zusammen.
„Dein Freund ist letzte Nacht gestorben.“
Ich konnte ihre Aussage nicht so schnell wahrnehmen.
Ich sah sie einfach nur an.
„Er hat Selbstmord begangen.
Er ist mit 180 km/h vor einem Baum gefahren und war sofort tot.“
Jetzt hatte ich es verstanden.
Er ist tot.
Er lebt nicht mehr.
Er wird nie wieder kommen.
Immer wieder wiederholten sich meine Gedanken.
Immer und immer wieder.
Mit zitternden Händen holte meine Schwester einen Zettel aus ihrer Tasche und reichte ihn mir.
Ich konnte mich kaum bewegen.
Einige Zeit später nahm ich den Zettel.
Ich klappte das gefaltete Papier auf und las
„Hey, wenn du dieses Stück Papier in deinen Händen hältst, gibt es mich nicht mehr.
Ich konnte es nicht länger ertragen in deine weinenden Augen zu sehen.
Du sagtest, ich solle aus deiner Welt verschwinden und nie mehr wieder kommen.
Wenn ich dich schon nicht mehr glücklich machen konnte, so wollte ich dir doch wenigstens diesen einen Wunsch erfüllen.
In unserem Gespräch sagtest du, es ginge um dieses andere Mädchen, ich wollte es dir doch erklären, aber du hast mir nicht zugehört.
Du weißt tief in deinem Inneren, wie sehr ich dich geliebt habe und es auch jetzt noch tue, dass du die Einzige für mich warst und für mich je sein wirst.
Ich liebe dich über alles mein Engel, der mich immer aufgefangen hat, wenn es mir schlecht ging.
Du warst der Wind, der mich jeden Tag in meinem Leben sanft umgeben hat.
Du warst der Sonnenschein, der mein Herz mit Wärme gefüllt hat.
Du warst die See, die mich umfloss.
Du warst der sanfte Morgenregen, wenn ich morgens erwacht bin.
Du warst der Vogel, der mich jeden Morgen mit seinen wunderschönen Gesang geweckt hat.
Du warst der hellste Stern am Firmament, keiner konnte mehr strahlen als du.
Darum bitte ich dich, nicht zu weinen, denn ich bin hier. In deinen Erinnerungen sterbe ich niemals.
Dieses eine Mädchen und ich wollten über deinen Geburtstag reden.
Wir wollten dir zu deinem 18. Geburtstag etwas schenken, dass du niemals vergessen solltest.
Dazu wollten wir uns gegenseitig beraten, was dir am besten gefallen könnte.
Das war der Grund, warum ich in letzter Zeit nicht sehr oft bei dir war.
Nun, heute ist dein 18. Geburtstag.
Ich wünsche dir von Herzen alles, alles Gute für deinen vielleicht wichtigsten und tollsten Tag in deinem Leben.
Jetzt bist du ja endlich volljährig.
Aber du möchtest doch sicher dein Geschenk sehen?
Nun, dafür musst du dich ein bisschen anstrengen.
Geh die Straße hinunter zu dem großen Hochhaus und am besten wenn es noch nicht ganz hell ist.
Sehe dir das Hochhaus aus einer etwas weiteren Entfernung an.
Ich hoffe, es gefällt dir.
In ewiger Liebe.“
Ohne lange nachzudenken, rannte ich an meiner Schwester vorbei, schnappte mir meine Jacke und rannte durch den Regen.
Immer weiter.
Diese endlose Straße entlang.
Wenigstens konnte man so meine Tränen nicht sehen.
Schließlich kam ich nach ein paar Minuten an.
Ganz außer Atem schaute ich es mir genauer an.
Mir blieb der Atem weg.
Einige Fenster in dem Hochhaus waren hell erleuchtet, sodass ich etwas lesen konnte.
„Ich liebe dich“
Das war es, was ich auf der Hauswand lesen konnte.
Ich brach in Tränen aus und sackte zusammen.
Das schönste Geburtstagsgeschenk, was ich je bekommen habe und so etwas schönes habe ich von ihm bekommen.
Jetzt lebt er nicht mehr.
Er wird nie wieder kommen, nie wieder.