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Mein Leben & Ich.
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Am Abgrund
Der Blick auf das azurblaue Meer ist atemberaubend schön.
Die Linie, an der Himmel und Wasser sich treffen, ist fast nicht zu erkennen.
Nur das leuchtend weiße Segel eines Bootes unterbricht das ineinander fliesen der zwei Elemente. Heftiger Wind zerrt an meiner Kleidung, so als will er mich warnen, nicht zu nahe an den Abgrund zu geraten.
Tief unter meinen rot lackierten Zehnägeln schlagen die Wellen im Takt ihrer ganz eigenen Melodie gegen die schroffen Felsen.
Doch der Blick in diesen Schlund ängstigt mich nicht sonderlich, denn der Abgrund in meinen Inneren ist wesentlich bedrohlicher.
Das hässliche Klatschen mit dem meine nagelneue rote Reisetasche auf dem Asphalt gelandet ist, noch in den Ohren, drehe ich mich langsam zu ihr um.
Erst jetzt fällt mir auf, dass sie dieselbe Farbe wie meine Zehnägel hat.
Mit aufheulendem Motor ist der zitronengelbe Citroen auf der kurvenreichen Strasse verschwunden, während ich das kurze Stück zu dem Steilhang geflüchtet bin.
Langsam gehe ich wieder zur Strasse.
Zurückgeblieben ist nur der penetrante Ölgeruch und ein hässlicher Ölfleck an der Stelle, an der er kurz angehalten hat. Lange noch stehe ich in der sengenden Sonne, auf diesen Fleck stierend, als könne ich ihn mit bloßen Augen weg brennen und damit alles ungeschehen machen.
Der Schrei einer einzelnen Möwe reißt mich aus meiner Erstarrung.
Einen kurzen Moment schenke ich ihrem lautlosen Kampf gegen die heftigen Windböen meine ganze Aufmerksamkeit. Fast neidisch folgen ihr meine Blicke, als sie sich todesmutig mit einem heiseren Schrei in den Abgrund stürzt, um im nächsten Moment wie Phönix aus der Asche wieder emporzusteigen.
Entschlossen greife ich nach meiner Tasche.
Das billige Plastik ist so aufgeheizt, dass ich mir die Finger verbrenne.
Erst jetzt registriere ich auch das unangenehme Pochen in meinen Schläfen und meinen ausgetrockneten Mund. Suchend sehe ich mich um, doch Jacke, Sonnenhut und Wasserflasche liegen offensichtlich noch immer auf dem Beifahrersitz des Citroens und sind auf dem Weg nach - ja wohin eigentlich?
Zum eigentlichen Ziel, dass für mich als Überraschung gedacht war.
Oder direkt zurück in sein straff durchorganisiertes Leben, endlich befreit von der Unberechenbarkeit meiner Persönlichkeit?
Mit den ersten Anzeichen einer beginnenden Dehydratation halte ich Ausschau nach einem schattigen Plätzchen. Die Schönheit der schroffen kargen Landschaft wird plötzlich zur Bedrohung. Die dürren fast kahlen Äste eines entwurzelten Baumes ragen wie anklagend gen Himmel und scheinen mir in der flirrenden Hitze zu zuwinken. Mit raschen Schritten suche ich ihren dürftigen Schatten auf und lehne mich Trost suchend, an die harte vertrocknete Rinde.
Ich versuche mich zu erinnern, wann wir dem letzten Auto begegnet sind, doch es fällt mir schwer, zu groß ist die Anspannung während der Fahrt gewesen.
Jedes Wort, jeden Blick und jede Geste abwägend habe ich verzweifelt versucht, eine Eskalation zu vermeiden. Schon bei der Erinnerung daran bricht mir der kalte Schweiß aus. Das bunte, enge, mädchenhafte Sommerkleid klebt an mir wie eine zweite Haut. Es ist eines seiner Lieblingskleider. Er hat es selbst ausgesucht.
Als Zeichen meines guten Willens habe ich es heute Morgen angezogen, doch es hat mir kein Glück gebracht.
Am liebsten würde ich es mir vom Leib reißen, um mich davon zu befreien. Inzwischen glüht mein Kopf und meine Haut fühlt sich an, als stünde sie in Flammen. Wenn er in den nächsten zwei Stunden nicht zurückkommt, werde ich den Rest meines Lebens nie wieder mit ihm sprechen!
Habe ich die Worte laut ausgesprochen?
Doch der Zustand meiner Zunge, macht nur noch ein unverständliches Lallen möglich. Der modrige Geruch des alten Holzes steigt mir in die Nase, als ich erschöpft meinen Kopf an den Stamm lehne. Von Wind und Trockenheit gerötet folgen meine Augen einer fließenden Kette arbeitsamer Ameisen, die sich direkt vor meiner Nase unermüdlich den Baumstamm hoch und hinunter bewegt.
Wenn ich meinen Kopf nur ein klein wenig nach vorne beuge, wird ihr Weg sie in mein Innerstes führen und sie werden ertrinken in dem Meer ungeweinter Tränen. Das durchdringende Zirpen einer Grille weckt mein Interesse und zieht mich für einen Moment aus der Lethargie, die mich zunehmend erfasst.
Ermutigt durch meine Bewegungslosigkeit hat sie sich neugierig auf meinen Knöchel niedergelassen. Ihr grüner schlanker Körper sieht aus wie gepanzert - eine wesentlich sinnvollere Schutzhülle als eine dünne Haut.
Die langen Fühler sind steil und bewegungslos nach oben gerichtet, so als warte sie atemlos auf irgendeine Reaktion meinerseits.
Ihre Augen scheinen mich anzustarren.
Ganz leicht nur, wie ein Hauch, spüre ich ihr Gewicht auf meinem Bein.
Es fühlt sich kühl und rau an.
Als trotz der Hitze eine leichte Gänsehaut meine Haut überzieht, macht sie Anstalten sich an meinem Fuß aufwärts zu bewegen.
Ich springe erschrocken mit einem lauten Schrei auf.
Mir wird schwindelig und ich muss mich an der morschen Rinde des Baumes festhalten, während ich mit einer plötzlichen Übelkeit kämpfe.
Dabei fällt mein Blick auf meine Reisetasche, die wie ein Fremdkörper vor mir auf dem ausgedörrten Boden liegt. Einem Impuls folgend werfe ich sie, meine ganze Kraft zusammen nehmend, mitten auf die Fahrbahn direkt vor mir.
Ein gedämpftes Klirren erinnert mich an die Flasche Parfüm, die ich im letzten Moment eingepackt habe.
Es ist von ihm. Er mag diesen Duft.
Als ich mich wieder erschöpft auf den Boden sinken lassen will, zerrt mich jemand brutal an den Haaren.
Verzweifelt und mit krächzender, fremder Stimme rufe ich um Hilfe.
Der Schmerz ist fast unerträglich.
Nur gedämpft dringt unvermittelt seine Stimme zu mir durch, während er mit ruhiger Hand meine Zöpfe aus den starren Ästen des Baumes befreit.
Erst im kühlen Inneren des Wagens komme ich wieder halbwegs zur Besinnung. Besorgt und voller Liebe sieht er mich an.
Das Geräusch des startenden Motors klingt wie das Einläuten einer neuen Dimension.
Ich bin mir sicher, ich werde in Zukunft eine noch gehorsamere Tochter sein.
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Die Macht der Farben
Seit kurzem trage ich nur noch Rot.
Rot in allen Variationen.
Rote Blusen, Hosen, Röcke, Jacken und Schuhe, gestreift, gepunktet oder unifarben, sogar rote Unterwäsche.
Ich glaube an Rot!
Meine farblich dezentere Kleidung habe ich ganz nach hinten in meinen Kleiderschrank verbannt.
Neulich habe ich mir sogar einen satten Rotstich ins Haar färben lassen, es ist recht gut gelungen.
„Rot ist meine neue Lieblingsfarbe!“, reagiere ich lapidar auf die vorsichtigen Kommentare meiner leicht irritierten Umgebung.
Ich kann ihr Erstaunen nachvollziehen, schließlich ist den meisten von ihnen nicht bekannt, dass die Farbe Rot die Stoffwechselaktivitäten stimuliert.
„Sie befinden sich jetzt im Klimakterium, damit beginnt der Alterungsprozess!“
Nach dieser Eröffnung meines sensiblen Gynäkologen, war mir klar, dass ich etwas tun muss!
Meine neue Kosmetikserie ist sündhaft teuer und der Gymnastikkurs extrem
anstrengend. Natürlich ist auch mein Gymnastikdress ganz in knalligem Rot gehalten, denn die Farbe Rot erhöht den Energiespiegel.
Wenn ich etwas mache dann richtig, diesem Prinzip bin ich immer treu geblieben, auch damals bei meiner Scheidung.
Selbst der biblische Adam soll aus roter Erde geschaffen worden sein.
Wenn das stimmt, dann mit Sicherheit aus zu lockerer Erde, so locker wie die Ansichten vieler „Adams“ zum Thema Treue, meinen eingeschlossen.
Vielleicht wäre es aber auch gar nicht soweit gekommen, hätte ich schon früher an die Macht der Farben geglaubt.
Gestern habe ich mir eine knallrote Couch gekauft.
Sie wirkt aufregend exotisch zwischen all den langweiligen Überresten meiner Vergangenheit. Bei ihrem Anblick spüre ich regelrecht die positive und belebende Wirkung, die die Farbe Rot auf emotionaler Ebene ausstrahlt.
Sicher ist sie auch der Grund für meine erotischen Träumereien,
denn Rot steigert die Sinnlichkeit.
Immer wenn ich sie ansehe muss ich an den niedlichen Verkäufer aus dem Möbelhaus denken. Er ist mir schon beim ersten Besuch ins Auge gestochen, genau wie die Couch.
Er sieht kraftvoll aus, wie ein junger Stier.
Beim Kauf meiner neuen Couch habe ich kein Rot getragen, schließlich weiß ich, dass die Farbe des roten Tuches beim Stierkampf keinerlei Wirkung auf den Stier hat, denn er ist farbenblind.
Ich habe für diesen Tag ein dunkles, sehr figurbetontes Kleid gewählt,
denn es ist die Bewegung des Stierkämpfers, die den Stier reizt.
Das Kleid steht mir ausgezeichnet und betont meine noch vom Alterungsprozess verschonten Kurven.
Eine gute Wahl, wie mir das kurze Aufleuchten in seinen Augen bestätigt hat.
Gestern hat er angerufen.
Angeblich muss er die Federung der Couch überprüfen, weil sie in anderen Fällen fehlerhaft war.
Ein interessanter Gedanke!
Heute habe ich mir ein helles rotes Kleid gekauft.
Helles Rot bedeutet Erotik.
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Die Linie zwischen Gut und Böse
Auftauchend aus den Tiefen des Unterbewusstseins, noch halb ringend mit den Dämonen seiner Träume, aber schon klar genug diesen Umstand zu erkennen, dauerte es eine Sekunde bis ihn die Wirklichkeit ganz eingeholt hatte. Wenn diese absolute Stille ihn umfing, eine Stille die überall auf der Welt gleich klang, dann fühlte er sich für den Bruchteil einer Sekunde lang frei.
Dieser eine Moment hielt ihn am Leben,
Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Nicht, wie er geglaubt hatte, die Erinnerung an das Entsetzen auf ihrem Gesicht, als sie mit ihren letzten Atemzug die Erkenntnis traf, dass sie ihren Betrug mit dem Leben bezahlen würde.
Unendlich tief war seine Befriedigung gewesen, als ihr verführerischer Blick langsam erloschen war und ihm damit das Versprechen gegeben hatte, sich niemals wieder an einen Anderen zu verschenken.
Die Reue kam erst später, aber immer mit einem Gefühl der Zufriedenheit und der Gewissheit, dass sie dieses Versprechen nie mehr wieder würde brechen können. Doch mit der Zeit verblassten die Konturen ihres Gesichtes, wie auch ihre Liebe verblasst war. In seinen Träumen wechselte die Farbe ihrer Augen von einem warmen braun in ein leuchtendes blau, ein anderes Mal waren sie grün.
Nur der Duft ihres Haares war stets gleich.
Zu oft hatte er voller Hoffnung sein Gesicht darin vergraben.
Hoffnung hielt ihn hier nur anfangs am Leben, dann verblasste auch sie, so als trage er einen Fluch mit sich, der alles um ihm herum mit sich nahm.
Zuerst hatte ihn dieser Gedanke erschreckt.
Mehr noch als das Wort lebenslänglich.
Doch dann hatte er an diesem Gedanken Gefallen gefunden,
hatte sich vorgestellt, wie sein eigener Körper die Umrisse verlor, blasser und blasser wurde, bis er sich auflöste und verschwand.
In seinem früheren Leben hatte er sich selten Gedanken über irgendetwas gemacht. Frei und zügellos hatte instinktives Handeln sein Leben bestimmt und ihn schließlich in diese Sackgasse geführt.
In seinem neuen Leben waren nur noch die Gedanken frei und zügellos.
Eine Tatsache, die einem schnell bewusst wurde, umgeben von Gittern, verschlossenen Türen und dem Geräusch verhallender Schritte.
Schritte, die ungehindert in die Freiheit führten.
Manchmal stellte er sich vor, wie er den Schließer in seine Zelle zerrte, ihm die Hand auf den Mund presste. Wie dessen Augen sich vor Schreck und ungläubigem Staunen weiteten, während er ihm langsam die Kehle zu drückte. Wie schwer es war, die Schlüssel aus den im Todeskampf verkrampften Fingern zu lösen und er unter dem starren Blick der aus den Höhlen getretenen Augen, endlich die Türen durchschritt.
Türen waren hier überhaupt sein größtes Problem.
In seinem früheren Leben waren Türen ein Schutz gegen Zugluft.
Eine sichtbare Grenze für ungebetene Gäste, Sicherheit für seinen Besitz.
In seinem neuen Leben markierten Türen die Linie zwischen Gut und Böse.
Es gab Tage, da schaffte er es nicht, die Tür seiner Zelle anzusehen, ohne dass ihm der Schweiß ausbrach.
Gnadenlos verfolgte sie ihn selbst in seine Träume, voller Hohn und Spott.
So gnadenlos wie die Polizeibeamten ihn nach seiner Tat verfolgt hatten.
Noch trunken von Hass hatte er einem von ihnen das Leben genommen.
Manchmal stellte er sich vor, wie er und dieser Mann sich trafen, sich unterhielten, wie zwei alte Freunde, nicht wie Täter und Opfer. Natürlich war der Mann gesichtslos, nur ein Schatten, wie in jener Nacht, als er kurz auf ihn gezielt und abgedrückt hatte. Doch das war nicht weiter von Bedeutung, denn hier gab es viele Schatten.
Die Schatten der Gitterstäbe vor dem Fenster, oder der Schatten, der mehrmals am Tag den Sehschlitz an seiner Tür verdunkelte. Am liebsten waren ihm jedoch die Schatten der Kerze, die er sich besorgt hatte.
Ihr flackerndes Licht verwischte die klare Grenze zwischen Hell und Dunkel, schien die Schatten in schlaflosen Nächten zum Leben zu erwecken. Er hatte einen hohen Preis für diese Kerze bezahlt.
Natürlich nicht in der Währung seines früheren Lebens.
Jetzt hatte jedes Handeln und jeder Gegenstand eine neue Bedeutung.
Genau wie die Türen.
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