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Die alte Laterne quietschte und schwankte in dem steten ermüdenden Takt seiner Schritte. Hätte sie nicht die Funktion gehabt zu erleuchten, was auch immer es zu erleuchten gab, hätte ich sie mit einem inbrünstigem Grinsen gegen die nächste Wand gepfeffert. Ich meine, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert; heute gibt es Taschenlampen!

Um ein bisschen Licht ins Dunkle zu bringen sollte ich wohl besser erzählen wie es dazu kam, dass ich einem unglaublich schlecht gelauntem Vampir irgendwohin folgte und langsam meinen Orientierungssinn verlor.
Weshalb auch immer waren sämtliche magische Wesen nun mächtig angepisst, weil mein Vater etwas verbockt hatte. Ich lag in einem süßen Schlaf, bis mich ein spontanes Erdbeben erschütterte. Ich schreckte auf und blinzelte mit einem Auge auf meinen Vater. Er saß auf meinem Bett und hatte mich an der Schulter gerüttelt und dann in einer betont beruhigender Stimme verkündet dass ich in Gefahr sei.
Ich hatte nicht einmal die Zeit ihm einen Vogel zu zeigen und mich wieder auf die Seite zu legen um Steven Strait eine Haarlocke aus der Stirn zu streichen, die ihm vor der Episode mit meinem Vater ins Gesicht gerutscht war! Ich erkannte Zeitdruck und Angst in seinem Gesicht. Ein Bild, dass ich höchstens dann sah, wenn er eines seiner Fußballspiele zu verpassen drohte. Er musste also ernsthaft aufgewühlt sein.
Mein Blick fiel auf eine große dunkle Gestalt am Türrahmen, die mit gesenktem Kopf auf meinen grünen Teppich starrte. Ich schaffte es in dessen Richtung zu quietschen und starrte meinen Vater, Avidan, mit riesigen Augen an. Er verzog kurz die Brauen, warf einen flüchtigen Blick zur Tür und setzte zu etwas an. Währenddessen hatte ich mir die Decke bis zu den Ohren hochgezogen und flüsterte: “Paps, da steht ein Mann an der Tür...”
“Ich weiß, dass sollte er auch”, begann er und kratzte sich gedankenverloren am Kopf, “Sein Name ist Milan... Er wird auf dich aufpassen.” Avidans Gesicht wirkte ziemlich streng, als wolle er mir zeigen wie ernst die Situation war. Super Avi, damit hast du das auch geschafft. “Ich weiß, du hast eine Menge Fragen... (Eine Menge?! Oh, der Herr untertreibt gewissenlos!) Hör mir gut zu... Er wird dich an einen sicheren Ort bringen, bis ich Bescheid gebe wie es weiter gehen wird.” Er nahm meine Hand in seine riesige warme Pranke und starrte ins Nichts.
Oh verdammt, es war ernster als ich dachte.
Er hing seinen Gedanken nach und ich sah ihm wartend dabei zu. Meine Gedanken flogen wild durcheinander und ich wusste nicht wie ich die Stille hätte brechen können. Wäre es nicht so ernst gewesen - es wäre ein peinlicher Moment.
“Herr...”, erklang es von der Tür.
Milans Augen reflektierten den Schein der Nachttischlampe und ich erschrak. Auf der Stelle senkte   er den Kopf und nahm wieder seine ehrfürchtige Haltung ein, als hätte ich ihn angeschrieen oder bösartig beleidigt.
“Paps...”, winselte ich und ließ Milan nicht aus den Augen, “Warum steht ein Vampir in meinem Zimmer?” Und viel wichtiger: Ein Vampir soll auf mich aufpassen?!
Avidans teefarbene Augen trafen auf meine und ich schluckte. “Elaine, Milan steht seit Jahrzehnten treu in meinen Diensten. Wenn ich nicht wüsste, dass ich ihm vertrauen kann, würde ich dich niemandem überlassen.” Sein Daumen strich über meinen Handrücken und er sah besorgter den je aus.
Ich räusperte mich. “Warum-” (zum Teufel weckst du mich, mit einem Vampir an der Tür, gegen ein Uhr morgens, nach nur einer Stunde mit Steve?!)
“Wir haben keine Zeit”, er sah mich entschuldigend an, “Ich werde dir später alles erklären.”
Oh schön, der berühmte Satz, bevor die Katastrophe eintrifft.
Avidan nickte Milan zu und dieser nickte zurück, ich glaubte es zumindest - es ging zu schnell, und schon war die dunkle Gestalt verschwunden.
“Elaine, zieh dich an, mach dich fertig, so schnell es geht, ich treffe dich unten.”
“Aber-”
“Keine Zeit”, damit strich er mir die Haare aus der Stirn, sah mich für eine Sekunde nur an und ließ mich schließlich alleine.

Nachdem ich mich eher schlecht als recht angezogen und fertig gemacht hatte, stand ich gähnend an der Treppe und zupfte an dem Kabel meines Mp3-Players. Ich hörte Paps in seinem Büro auf und ab gehen, wahrscheinlich telefonierte er. Mein blasses Gesicht leuchtete in dem getönten Fenster neben der Tür. Ich trat näher, betrachtete meine erschrockene, sommersprossige Visage, legte die langen Zöpfe zurück, als mein Blick, durch mich durch, auf etwas hinter dem Glas viel. Milan lehnte an einem schwarzen Honda. Seine dunklen Haare schimmerten leicht rötlich im Licht der Straßenlaterne, er beobachtete die Gegend. So im Profil sah er ziemlich gut aus. Seine Nase war  gerade, die Augenbrauen etwas breiter und schön geformt, ein nicht allzu hartes Kinn und dann hatte er noch wirklich bildschöne Lippen.
Er blickte auf seine Armbanduhr und fing unerwartet meinen Blick auf. Ich zuckte zusammen und lugte schnell zur Seite, als wollte ich nach jemand anderem Ausschau halten. Ist doch logisch, gegen ein Uhr nachts ist ja auch viel los... Doch dann kam mir der Gedanke, dass er mich gar nicht sehen konnte! Die Scheiben waren getönt und zusätzlich mit einem Zauber belegt, sodass man raus sehen konnte, aber nicht gesehen wurde. Dennoch kam es mir vor, als hätte er mir direkt in die Augen gesehen...
Mit einem Poltern kam Avidan aus seinem Büro und scheuchte mich aus meinen Gedanken. Er war ein großer, stämmiger Mann, mit weißblondem Haar und feinen Zügen.
Ich hatte schon oft genug angemerkt, dass seine Bürotür größer gemacht werden müsste, doch er winkte jedes Mal ab und meinte, dass er das mit einem Zauber schon hinbekommen würde. Doch er vergaß es immer wieder.
“Elaine...”, er mochte es meinen Namen zu nennen. Avidan eilte zu mir rüber und drückte mich aus einem erschreckend spontanen Impuls an sich.
“Paps...”, keuchte ich, “ich brauche Luft...”
“Oh”, er lachte und ließ mich los. Ein Grinsen konnte er nicht unterdrücken und schickte mich aus der Tür.
Ich lief mit gesenktem Kopf zum Auto, von meinem Vater gefolgt, und achtete peinlich genau darauf keinen Blick auf Milan zu werfen. In meinem Kopf sah ich noch immer sein Gesicht, ich konnte es nicht verdrängen.
Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass Milan um das Auto herum ging und sich neben die Fahrertür stellte.
Ich postierte mich an die Tür, die den meisten Abstand zu ihm bot und wartete auf Avidan, der noch seine Schutzsteine untersuchte, was er sonst jeden Abend tat. Es lagen insgesamt 12 Schutzsteine um das Haus herum, die Sicherheit gewährleisten sollten. Drei hätten auch gereicht, dachte ich bei mir. Er setzte den Hauptstein zurück und trottete zu mir rüber.
Ich war schon dabei die Tür zu öffnen als er nach meiner Hand fasste. “Oh, ich dachte du wolltest vorne sitzen...”, sagte ich und fühlte Milans Blick im Rücken.
“Ich werde nicht mitkommen.”
“Was?!”
“Ich habe es dir doch schon gesagt.”
“Oh”, ich kramte in meinem verschlafenem Gedächtnis, “tatsächlich... Aber warum nicht!?”
Ich fühlte mich mit einem Mal komplett alleine gelassen.
“Ich habe hier noch Dinge zu erledigen”, ein seltsam trauriger Blick legte sich kurz auf seine Augen.
Mir verschlug es komplett die Sprache. Dann umarmte er mich wieder, lenkte mich zur Beifahrertür und setzte mich gewissermaßen rein.
“Bis später”, sagte er, zwinkerte und schlug die Tür zu. Ich konnte noch hören wie er mit Milan kurze Sätze wechselte, dann saß der Vampir neben mir und ich sah meinen Vater sich ein Stück weiter stellen. Ich versuchte so etwas wie Winken, was eher in einem Handfläche-gegen-die-Scheibe-Drücken endete. Er grinste mich an und dann entferntem wir uns von ihm und meinem zu Hause.
Okay, sagte ich mir, was soll die Melodramatik!? Wir sehen uns später, hat er gesagt. Also werde ich “später” das ganze auch als kleines nächtlich Abenteuer sehen!

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