Sie hat nicht mehr viel Zeit, so viel ist klar.
Die Ärzte hatten den Kampf aufgegeben, sie hat den Kampf aufgegeben. Sie ließ die Schmerzmittel niedriger dosieren, sie wollte ihre letzten Tage 'nüchtern' erleben.
Es tut weh sie so zu sehen, den Schmerz in ihren Augen, doch ich versuche stark zu bleiben.
Geschwächt lieg sie in ihrem Bett, doch plötzlich bittet sie mich:
'Bring mich raus, ich will den Wind spüren.'
Sophie: "Das darf ich nicht, du .."
Naomi: "Bitte!"
Ich gehe zu Naomis Mutter, bitte sie mit ins Zimmer zu kommen.
Naomi fleht ihre Mutter an, und sie kann ihr den Wunsch einfach nicht abschlagen. Ich setze Naomi in den Rollstuhl, will ihr die Mütze anreichen, doch sie lehnt ab.
'Ich stehe zu meiner Krankheit, ich will den Wind spüren, keine Mütze.'
Glücklich lächelte sie mich an.
Sie war schon Wochen nicht mehr draußen gewesen, die Freude ist ihr ins Gesicht geschrieben.
Wir gingen in unseren Park, in dem wir früher immer spielten.
Wie besuchten den Kirmesplatz, gingen an den See, all die schönen Orte von damals besuchten wir.
Doch nun kam der wichtigste Platz: Der Ort, an dem sie mir von ihrer Krankheit erzählt hatte.
Ich konnte mir meine Tränen nicht verkneifen, kniete mich vor sie hin, ich legte meinen Kopf in ihren Schoß, ihre Tränen tropften auf mich, sie streichelte durch mein Haar und flüsterte: 'Wie gerne würde ich den Wind in meinen Haaren spüren.'
Ich stand auf, nahm sie aus dem Rollstuhl, wir setzten uns auf die Wiese, betrachteten den Sonnenuntergang.
Ich erzählte ihr Geschichten von unserer Kindheit, versuchte sie an all das zu erinnern.
Naomi: "Ich will schlafen okay?"
Und dann geschah es auch schon, ihre Augen wurden schwächer und schwächer, sie schlief ein, für immer. In meinen Armen verließ sie mich, ich weinte bitterlich - Stundenlang saßen wir dort.
Der Krebs hatte ihren Körper besiegt, doch ihre Seele bleibt unsterblich.