1.Kapitel - Der Anfang
Bea
"Hast du schon einmal daran gedacht, dass wir mal was anderes machen können als immer nur auf diesem Spielplatz abzuhängen? Wir haben echt keine Hobbys" erklärt Louisa lachend und boxt ihrer besten Freundin leicht in die Seite.
Bea jedoch achtet überhaupt nicht auf ihre beste Freundin, sondern starrt nur fasziniert in die Ferne, wo bereits die Turmglocken der kleinen Kirche zu hören waren.
"Bea? Hörst du mir überhaupt zu?" Abermals piekst Louisa ihr in die Seite und endlich blickt Bea sie an. Verwirrt streicht sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr und runzelt die Stirn.
"Hörst du die Glücken, Lou? Diesewunderschönen, alten Glocken?"
"Du und deine alten Sachen. Ja, ich höre die Glocken und sie klingen wie zehntausend andere. Können wir jetzt bitte weiter? Und überhaupt, wieso immer dieser Spielplatz?"
"Er ist gleich neben dieser Kirche und es gefällt mir sie zu sehen" erklärt Bea und denkt sofort an das türkise Schieferdach, den Wetterhahn auf der Spitze und die alten Steine der Mauer drumherum. An die Gräber, welche um die Kirche herum liegen, denkt sie allerdings nicht. Auch nicht an die vielen Tannen, die dem Ort eine unheimliche Note verleihen.
"Da sind aber diese ekelhaften Gräber" erwidert Louisa und reibt sich über die Arme. "Es sind ja nicht viele, aber die wenigen machen mir Angst. Wieso man einen Spielplatz neben einem Friedhof baut versteht auch einer..."
Louisa zuckt die Schultern und läuft um die nächste Ecke und die wenigen Stufen nach oben. Sie kann den Spielplatz schon erkennen, die Holzburg, die als Klettereinrichtugn dort steht, die große Schiffschaukel, der Sandkasten mit den merkwürdigen Holzdämonen als Verzierung. Seckbach ist eben ein merkwürdiger Stadtteil.
"Bea, siehst du auch..." Doch Louisa spricht den Satz nicht zu Ende.
Auf dem Spielplatz wimmelt es nur so von Polizisten und Menschen in weißen, merkwürdigen Stoffanzügen. Bea weiß, dass das die Leute von der Spurensicherung sind. Es muss was schreckliches geschehen sein.
Eilig läuft sie bis zu der Absperrung, wo die beiden Mädchen von einem Polizisten aufgehalten werden.
"Hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie wieder" Er streckt die Arme aus, vermutlich um größer zu wirken, denkt Bea sich und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Mum? Mama? Mama!" Eine schwarzhaarige Frau steht auf und blickt sich suchend um ehe sie ihre Tochter Bea sieht. Mit einem nervösen Lächeln läuft sie hinüber und lässt die Mädchen hinter die Absperrung, so wie sie das öfter macht wenn es kleinere Delikte gibt.
"Mama, was ist passiert?"
Katrin Weber sieht ihrer Tochter und deren besten Freundin tief in die Augen, ehe sie seufzt und die beiden Mädchen zur Seite schiebt.
Bea versucht einen Blick auf den Mittelpunkt des Geschehens zu richten, doch zu viele Menschen tummeln sich dort herum. Sie erkennt nichts außer einer schwarzen Sonnenbrille im Gras.
"Kennt ihr Alicia Möllers? Von eurer Schule?"
Beide Mädchen nicken.
"Nun ja...Wie soll ich euch es am besten schonend beibringen..."
"Komm zum Punkt, Mama" drängt Bea und tippt nervös mit dem Fuß auf den steinigen Kiesweg.
"Sie ist tot"
"Tot?" wiederholen beide Mädchen erschrocken und Louisa packt Beas Arm.
"Mädchen, ihr solltet gehen. Wenn-" Doch ein Mann der Spurensicherung unterbricht Katrin.
"Wir haben da was. Einen Brief, Frau Kommissarin. An Bea und Louisa steht auf dem Umschlag"
Panisch halten Bea und Louisa die Luft an und auch Katrin zuckt zusammen.
"Danke, Jörg" antwortet sie nur knapp und macht sich daran mit ihren weißen Handschuhen den Brief zu öffnen. "Es muss nicht heißen, dass ihr gemeint seid, okay? Also keine Sorge" Doch ihre Stimme zittert.
Bea verdreht die Augen. "Mama, mach jetzt."
Also holt Katrin den Brief ganz heraus und fängt an vorzulesen.
"Liebe Bea und Louisa,
ist das nicht ein toller Tag? So dunkel und regnerisch. Eigentlich kein Wetter um auf einem Spielplatz abzuhängen. Aber das ist ja nun einmal euer Stammplatz. Was soll ich machen?!
Freut ihr euch über mein Geschenk? Geht Alicia nicht mit Bea in Deutsch und mit Louisa in Ethik? Trauriger Todesfall. Aber sie ist nur ein Mittel zum Zweck.
Eigentlich will ich euch. Aber ich dachte wir drehen den Spieß mal um. Dieses ewige langeweilige "Die-Guten-jagen-den-Bösen" geht mir gewaltig gegen den Strich. Dieses Mal müsst ihr mich finden. Deal?
Ansonsten werde ich nach einander immer mehr Menschen aus eurer Umgebung umbringen. Aber ich will ja nicht fies zu euch sein. Ich gebe euch einen Hinweis.
Fachherdring - 280318533071916
Fangt etwas damit an, oder nicht."
Die drei stehen still da, unfähig auch nur einen Satz hervorzubringen.
"Er meint uns, nicht?" fragt Louisa und fasst sich nervös an die Strin.
Katrin beißt sie auf die Unterlippe während sie nickt.
"Katrin, sieh mal. Es scheint als hätte der Täter das Mädchen von dem Friedhof dort verschleppt. Da sind Spuren im Kies" ruft ein bärtiger Mann mit Glatze, denn Bea als Michael identifieziert. Der derzeitige Freund ihrer Mutter. Nicht, dass Katrin Weber ein Männerheld ist, nein. Die Wahrheit ist, dass Michael einfach der zweite Mann für sie ist, seitdem ihr Mann Klaus sie verlassen hatte. Dabei war dies nun schon neun Jahre her.
"Ihr bleibt schön hier, ja?" warnt Katrin die beiden ehe sie ihre Jacke enger um sich schlingt und durch das schlammige Gras zu Michael geht. Doch Bea denkt nicht im Traum daran dort stehen zu bleiben. Schließlich hat das ja auch alles mit IHR zu tun!
Also stapft sie unverdrossen ihrer Mutter hinterher und ignoriert gewissentlich die Rufe von Louisa, die sie warnt, auf ihre Mutter zu hören.
"Wir gehen auf den Friedhof!" raunt Bea und schleicht sich prompt an ihrer Mutter vorbei, die neben der Leiche in die Hocke geht.
"Das dürfen wir nicht!" zischt Louisa zurück, läuft ihrer besten Freundin allerdings hinterher.
Ehrfürchtig stehen die beiden nach nicht einmal zwei Sekunden auf dem alten Freidhof, der schon einmal bessere Tage gesehen hatte.
Überall wächst Moos und Efeu, welches sich an der kleinen Kriche entlangschlängelt. Nicht einmal 30 Gräber gibt es dort und die meisten sind noch vom Anfang des letzten Jahrhunderts.
Unbekümmert läuft Bea um die Ecke und erblickt zwischen einem großen Busch einen türkisen Schal.
"Das ist Alicias!" ruft sie zugleich erfreut und auch erschrocken. Der Schal hängt an einem merkwürdig verrostetem Drehkreuz. Die Farbe blättert ab und der Schal flattert im Wind.
Ein Schauer zieht sich über Beas Rücken als Louisa das ausspricht, was sie eben dachte.
"Sie hat versucht sich hier zu verstecken..."
"Aber es ist ihr nicht gelungen" sinniert Bea und läuft bereits weiter.
Sie mag den Friedhof genausowenig wie Louisa und doch übt er eine Anziehung auf sie aus.
Sie wundert sich nicht, dass noch keiner der Spurensicherung oder sogar ihre Mutter die 10 Schritte bis zum Friedhof machen. Sie untersuchen die Leiche nach eindeutigen Spuren, die sofort auf den Täter schließen lassen.
Bea kennt das Verfahren. Sie hat ihre Mutter schon oftmals zu Tatorten begleiten müssen, wenn die Babysitterin streikte. Doch immer musste sie im Auto warten und 'stolperte' nicht über einen neuen Fall.
Erneut legte sich eine Gänsehaut über ihren Körper.
Alicia war tot. Alicia war ermordet worden. An ihrem Stammtreffplatz. Und sie war direkt angesprochen worden. Träumte sie vielleicht?
"Das ist ein Traum, Bea, oder? Ich...ich kann es nicht einmal in Worte fassen. Ich will nach Hause und mich verkriechen, aber stattdessen stampfe ich mit dir über diesen dummen und unheimlichen Friedhof. Der Brief war bestimmt nur ein Fake, ich will nach Hause und mit meinen Eltern reden" spricht Louisa das aus, was ihr sofort in den Sinn kommt.
Bea schüttelt den Kopf. "Du weißt, dass das jetzt unsere Chance ist was herauszufinden. Mama lässt uns sofort wegbringen, wenn sie uns hier sieht."
"Gut so! Bea, wir haben vor nicht einmal fünf Minuten erfahren, dass eine Mitschülerin ermordet wurde. Wieso bist du nicht schockiert und heulst und hast Panik? Ich habe Angst und ich will sofort weg hier. Wir sind Teenager und keine Polizisten. Lass die doch die Arbeit machen"
"Weil ich keine Angst vor dem Tod habe. Sieh dich um, wir leben in Frankfurt. Eine gefährliche Stadt. Was Alicia passiert ist, ist schrecklich...aber es bringt Abenteuer in unser Leben. Wir sind direkt angesprochen worden, verstehst du?!"
"Du bist krank" erwidert Louisa und wendet sich ab als Bea zurückschreckt.
"Louisa! Wie war das Wort, das uns helfen soll?"
"Fachherdring, wieso? Ist das überhaupt ein Wort, und wie soll uns das weiterhelfen? So ein dummer-"
Doch abermals unterbricht Bea sie. "Das ist ein Anagramm" murmelt sie und blinzelt oft hintereinander, ein Zeichen dafür, dass sie nachdenkt.
"Meinst du es könnte ein Grab sein?" überlegt Louisa laut und dafür haut Bea ihr feundschaftlich auf den Arm. "Genau!" ruft sie und stapft weiter durch den Friedhof.
"Louisa? Ich glaube ich hab was" ertönt keine 10 Sekunden darauf ihre Stimme.
Louisa tritt näher an ihre Freundin und erkennt die Inschrift auf dem kreuzförmigen Grab.
"Gerhard Fenrich - Fachherdring" murmelt Louisa.
"Und die Zahlen sind das Geburts- und Sterbedatum!" fügt Bea unsinnigerweise hinzu.
"Und was jetzt?"
Bea zuckt mit den Schultern. "Wir müssen einen weiteren Hinweis finden, noch bevor Mama hiervon erfährt. Das wird ganz allein unsere Tour. Unser Abenteuer!"