kolibri
Sturzflug, Stillstand und Kommando rückwärts: Nur Hochgeschwindigkeitskameras können mithalten, wenn Kolibris von Blüte zu Blüte jagen. Immer auf der Suche nach frischem Nektar, kann nicht einmal ein prasselnder Tropenregen die winzigen Flugakrobaten aufhalten.
Ihre Flügel schwirren so unglaublich schnell, dass sie mit bloßem Auge kaum zu erkennen sind – bis zu achtzig Mal pro Sekunde. Auch wegen ihrer wilden Luftmanöver verdienen die Kolibris völlig zu Recht einen Spitzenplatz unter den wendigsten und rasantesten Flugkünstlern der Natur. Rund 330 verschiedene Arten umfasst die Familie der winzigen Vögel. Der kleinste Kolibri – die Bienenelfe – wird kaum größer als ein Insekt.
In ihrer nord- und südamerikanischen Heimat sind sie beständig auf der Suche nach Nahrung. Süßer Nektar aus Blütenkelchen ist ihr Lebenselixier – sozusagen der Treibstoff, der sie in der Luft hält. Mindestens alle fünfzehn Minuten brauchen sie Nachschub. Seit über dreißig Millionen Jahren schon leben die Kolibris auf unserem Planeten. In dieser langen Zeit konnte ihr Körperbau sich optimal an ihre hoch spezialisierten Bedürfnisse anpassen, so dass sie ihren Nahrungskonkurrenten immer um einige Fluglängen voraus sind…
Um bei der Nahrungssuche nicht auf der Strecke zu bleiben und gegenüber Insekten oder anderen Vögeln den Kürzeren zu ziehen, mussten die Kolibris sich im Verlauf der Evolution drastisch anpassen. Jedes Milligramm Körpergewicht zählt, weshalb ihre kleinen Knochen hohl sind. Um besser an den Nektar in den Blüten zu gelangen, wurden ihre Schnäbel mit der Zeit länger und stärker gekrümmt. Unbeirrt steuern sie von Blüte zu Blüte – von morgens früh bis spät am Abend. Bis zu tausend Blüten steuert ein Kolibri täglich an.
Wie ein Helikopter können Kolibris in der Luft stehen bleiben. Ihr kleines Herz schlägt während des charakteristischen Schwirrflugs bis zu 1.300 Mal pro Minute. Im Sturzflug wiederum legen manche Arten fast 400 Körperlängen pro Sekunde zurück – und erreichen dabei knapp 100 Stundenkilometer.
Und sie können sogar rückwärts fliegen. Dabei verbrauchen Kolibris zwanzig Prozent weniger Energie als beim Schwirrflug – und das, obwohl sie im Rückwärtsgang sogar noch öfter mit den Flügeln schlagen. Sie führen ein Leben im permanenten Turbo-Modus.
Bei Regenwetter sollte es den Kolibris eigentlich unmöglich sein, durch die Lüfte zu düsen. Schließlich sind Regentropfen für sie verhältnismäßig so groß wie mit Wasser gefüllte Luftballons für uns Menschen. Doch ihr Gefieder federt ganz elastisch rund die Hälfte der direkten Kräfte der Tropfen ab. Auch bei schweren Regengüssen können die Vögel vor Blüten in der Luft „stehen“.
Die Flugmuskulatur der Kolibris macht dreißig Prozent ihres Körpergewichts aus – bei anderen Vögeln sind es nur fünfzehn Prozent. Um den Nektar besser aus den Blüten saugen zu können, ist ihre Zunge strohhalmförmig, vorne gespalten und kann weit hervorgestreckt werden.
Mit den Insekten haben Kolibris tatsächlich vielmehr gemeinsam als bislang angenommen. Das Taubenschwänzchen, eine Schmetterlingsart aus der Gattung der Schwärmer, wird auf den ersten Blick leicht mit einem Kolibri verwechselt. Kein Wunder, schwebt es doch ähnlich rasant wie die Mini-Vögel von Blüte zu Blüte – und rückwärts fliegen kann es auch.
Sie ist die Kleinste unter den Kleinen: Weniger als zwei Gramm wiegt die Bienenelfe, bei einer Körperlänge von maximal sechs Zentimetern. Damit ist die kleinste Kolibri-Art auch der eindeutig kleinste Vogel der Welt. Ihr größter Verwandter, der Riesenkolibri, bringt es samt Schnabel und Schwanzfedern auf immerhin 25 Zentimeter.
Ihre winzigen Nester bauen die Kolibriweibchen allein. Sie bieten gerade Platz genug für zwei Eier, die im Abstand von zwei Tagen gelegt werden.
Dickwandig und gut gepolstert, bestehen die Nester aus Spinnweben, Pflanzenfasern, Flechten oder Moos. Die Brutphase dauert 14 bis 19 Tage.
Sind die Jungtiere geschlüpft, bleiben sie noch drei bis vier Wochen im Nest. Bis zu 140 Mal täglich bekommen Futter
Ihr buntes, metallisch schimmerndes Gefieder ist ein typisches Merkmal vieler Kolibris. Bei verändertem Lichteinfall flackern die Feder-Oberflächen wie Hologramme. Besonders das Federkleid der Männchen sticht oft durch prachtvolle, metallisch irisierende Schmuckfarben hervor.
Im Lauf des Tages trinken die Kolibris insgesamt das Doppelte ihres Körpergewichts. Ihr Hochleistungs-Verdauungssystem verwertet in Rekordzeit fast alle Nährstoffe, die sie aufnehmen. Das ist nur eine der vielen Super-Eigenschaften, ohne die die Kolibris im Lauf der Jahrmillionen längst ausgestorben wären.
Nachdem sie den ganzen langen Tag im Hochleistungs-Modus unterwegs waren, verfallen die Kolibris nachts in einen tiefen, winterschlafähnlichen Ruhezustand. Während dieser „Torpor“ genannten Tiefschlafphase reduziert sich ihr Herzschlag auf nur 36 Schläge pro Minute, die Körpertemperatur sinkt um die Hälfte. Sie zehren von den Energiereserven, die sie sich tagsüber angefressen haben. Doch für jene Vögel, die nicht genug Nektar aufnehmen konnte, bedeutet die Nacht den sicheren Tod.
Zwanzig bis vierzig Minuten brauchen selbst gesunde Kolibris, um morgens hochzufahren und ihre verbliebenen Kräfte zu mobilisieren. Dann geht es weiter: Auf zur nächsten Blüte – und der tägliche Flug ums Überleben beginnt von vorn.