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Poesie! Texte!

...das gibts bei mir. Ihr wisst schon, Gedichte und Geschichten und so, aber nicht solche, wie man auf Emo-Websites mit selbstmordlastigen Texten auf schwarzem Hintergrund findet.
Ich hoffe, der Stuff gefällt euch.


(so am Rande, ganz uneitel, wollte ich eigentlich anmerken, dass meine Texte eine (angesichts eines 13-Jährigen als Autor) überdurchschnittliche Qualität aufweisen.)

Der Krieg

Ich denke, auf Superweb sieht man normalerweise eher kurze Texte.
Aber ich sag mal 'Scheiss drauf' und haue euch geballte drei Seiten in die Fresse.

Ein Versuch, eine Schlacht zu schreiben, bei der ich keine Ahnung habe, wo sie sich zugetragen haben könnte, sich aber etwa um 1800 abspielt.
Keine Garantie auf historische Korrektheit.



Nun stand ich also da. Dort, wo ich und jeder meiner Zeitgenossen nie gewollt hätte zu stehen, auf dem Schlachtfeld. Schlachten waren grausam, gefürchtet. Trotzdem gab es immer wieder Leute, die sie führten.

Meine Reihe, vier Mann tief, unzählige Mann breit, setzte sich in Bewegung.
Widerspruchslos marschierte ich mit. Einer der wenigen, die mehrere Schlachten überlebt hatten, hatte mir erklärt, dass man bei einer Schlacht einfach nichts zu denken habe. Nur befehle ausführen und alle Menschlichkeit vergessen, das sei sein Rezept gewesen, sonst wäre man schnell dem Tode geweiht.

Doch das funktionierte bei mir nicht. Ich blickte um mich, sah in lauter Gesichter, einige vor Angst verzerrt, andere vor Sorge, über ihre Kinder, ihre Frauen, ihre Eltern, ihre Familie. Auch ich dachte an meine gebrechlichen Eltern. Wer würde für sie Sorgen?
Entfernte Schreie und Schüsse, die entgegen meiner Erwartung von hinten kamen, kündigten die ersten gescheiterten Deserteure an.

Alle waren wir mit Musketen bewaffnet, aber in unseren Augen waren sie nicht viel mehr als Holz und Metall, da wir kaum damit umzugehen wussten. Kaum zwei Tage vorher hatte man uns eine in die Hand gedrückt, um dann mit miserabler Trefferquote auf Scheiben und Puppen zu schiessen. Man erwartete von uns aber auch nicht, zu treffen, wir nämlich, die vorderste Reihe, sollte nur die Meisterschützen und die Artillerie beschützen. Das nützlichste an der Muskete war das Bajonett, mit dem wir entfernt umzugehen wussten und gestern hatten wir mit ihnen noch unsere magere Ration über dem Feuer gegrillt.

Wir marschierten weiter. Die ersten Uniformen waren am anderen Rand zu sehen. Die Offiziere, wohlwissend, das jetzt besonders viele ihr Glück versuchen würden, standen mit erhobenem Säbel einige Meter hinter uns.

Ein weiteres Mal schweifte mein Blick durch die Gesichter. Schweisstropfen bildeten sich - auch bei mir -, liefen ihnen die Schläfe hinunter. Die aufquellende Angst war ihnen aus dem Gesicht zu lesen. Auch in mir. Der Griff um meine Muskete festigte sich. Ich stand vor einem Dilemma. Auf keinen Fall wollte ich jemanden verletzen oder gar umbringen. Dennoch war das meine einzige Wahl, wollte ich überleben.

Wir standen jetzt nur noch einige hundert Meter vor der gegnerischen Front.
„Stehenbleiben!“, brüllte der Offizier. Sein Gesichtsausdruck verriet, im starken Gegensatz zu unserem, keinerlei Regung.
„Anlegen!“
Ich zögerte einige Momente. Der Offizier warf mir einen verächtlichen Blick zu, den Säbel drohend erhoben, so dass ich die Muskete trotzdem an der Schulter anlegte.
„Zielen!“, hiess es nun.
Ich verharrte in meiner Position, schloss die Augen, blickte nach unten.
Auf keinen Fall wollte ich den Tod eines Menschen verantworten.
„Feuer!“, brüllte der Offizier.
Wie aus einem Rohr knallte es, auch ich betätigte den Abzug, oder ich wäre auf der Stelle getötet worden. Es bildete sich viel Rauch, man konnte kaum etwas sehen, der Schwefel biss in den Augen und in der Nase. Gedämpft wie durch einen schweren Vorhang vernahm ich die Musketen anderer Reihen, schmerzhafte Rufe getroffener Soldaten, Befehle bellende Offiziere.
Als der Rauch abzog, blickte unser Offizier stirnrunzelnd nach vorn.
„Sie versuchen ihr Glück im Nahkampf. Bajonett nach vorn!“
Die pure Panik stieg in mir auf, denn der Nahkampf war besonders grausam. Da konnte man nicht kneifen, ich versuchte, meine Menschlichkeit zu unterdrücken, aber es gelang nicht. Noch waren sie etwa 200 Schritt vor uns, hörte man das lautstarke zünden der Artillerie. Mehrere Granaten trafen unsere gegnerische Reihe, dutzende Männer durch die Luft geschleudert und zerrissen, andere von Splittern übersät. Über die markerschütternden Schreie der Verwundeten kommandierte unser Offizier den Sturm.
Ich schloss die Augen, schluckte, und dachte nicht mehr nach. Bajonett nach vorne gerichtet rannte ich wie der Rest der Linie wild auf den verkrüppelten Haufen vor uns. Weitere Granaten trafen sie, einige der unseren bekamen kleine Splitter ab, um dann in die Bajonette der hinteren zu stolpern, welche in blinder Kampfeswut einfach weiterrannten. Der Feind konnte unserer Reihe kaum noch Widerstand leisten, gnadenlos stachen und rannten wir sie nieder. Ich versuchte, nicht nachzudenken. Ich stocherte wild mit meinem Bajonett, einer ritzte an meinem Arm. Wutentbrannt schlug ich ihm voller Kraft den Gewehrkolben ins Gesicht, wodurch einige Knochen knackend nachgaben. Ich setzte mein Gemetzel fort, nur noch von meinen niedrigen Instinkten getrieben. Erst, als mein blutiger Rausch zu Ende war, wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Wie ein besessener habe ich auf bereits Verwundete und Halbtote eingestochen, die nur noch hilflos jammern und die Hand heben konnten. Meine Uniform war blutbespritzt. Schockiert bückte ich mich, nach einem meinem Opfer. Stichwunden waren auf seinen Armen und der Brust verteilt. Kläglich jammerte er um Gnade, bettelte um Hilfe. Ich nahm seine Hand und wusste nicht, was tun. Voller Panik und Schuldgefühle riss ich einen Fetzen meines Hemdes ab und wollte damit seine Blutungen stillen, was kaum gelang. Der Offizier, der mich bemerkte, stiess mich mit einem wütenden Fusstritt weg und sagte:
„Denkt Er etwa, Er könne einfach feindliche Soldaten versorgen?!“, schnitt mit einem gezielten Hieb in des Soldaten Hals und trieb mich mit Fusstritten zu meiner Linie, die bereits weiter marschiert war.
Tränen schimmerten in meinen Augen. Zutiefst aufgewühlt und erschüttert, über das, was ich getan habe. Ich, der ich doch nie überhaupt jemanden umbringen wollte, der überzeugte Pazifist. Ich warf einen Blick um mich. Anderen war es ähnlich ergangen, zu Zehntausenden lagen Erschossene und Verwundete auf dem Boden. Weiterhin feuerten andere Linien und Artillerie, ein einziges mörderisches Feuerwerk, zu dem die Hinterbliebenen ein klägliches Gejammer anstimmten. Granaten schlugen ein, Dreck wirbelte durch die Luft. Ich war tief getroffen von so viel Achtlosigkeit, von der Behandlung der Soldaten, als wären sie nur Rohstoffe. Als ich meine Linie erreichte, befahl der Offizier, nachzuladen, doch ich liess meine Muskete nur schlaff zu Boden fallen. Mir war der Wille vergangen, ich sah keinen Sinn mehr. Sollte der Offizier noch so wild auf mich einstechen, mir sollte es egal sein. Gerade wollte er zu mir kommen, da riss er die Augen weit auf:
„Artillerie! In Deckung!“
Ein einziges Feuerwerk. Granaten, die explodierten, Splitter, die herumsausten. Zerfetzte Leibe, die herumgeworfen wurden, Arme und andere Gliedmassen, die durch die Luft fliegten. Die Schockwelle warf mich durch die Luft, Splitter rissen mir die Haut in Fetzen ab, blieben stecken oder kamen gleich wieder auf der anderen Seite heraus. Kläglich lag ich auf dem Boden, dem Tode geweiht, ich verspürte höllische Schmerzen, doch sie waren mir egal. Ausserdem gab es für mich keine Hilfe mehr, ich betete zu Gott, er möge mir die Morde vergeben, die ich heute begangen hatte. Achtlos trampelten dutzende Paar Stiefel über mich hinweg. Mein letzter Gedanke galt meinen Eltern, die doch ohne mich nicht überleben würden, bis ich meine Augen schloss und der Schmerz verschwand.




© Patrick Côté, 08.09.2008

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