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Allein, Allein

Zitternd drückte sie sich an die Wand. Nicht weil ihr kalt war, nein, es war ein wunderschöner lauer Sommerabend, sondern weil sie Angst hatte. Unbändige Angst. Sie horchte in die Dämmerung hinein. Sie horchte aus welcher Richtung Schritte klangen. Schritte, die auf ihren Verfolger hinwiesen. Aber die engen Gassen gaben nichts preis. Sie konnte nicht einmal das Rauschen des Windes in den Blättern hören, denn in der Stadt in der sie lebte gab es kein bisschen Natur. Die Stadt war grau und sie strahlte eine unheimliche Kälte aus. Doch was war das? Sie musste ein paar Sekunden überlegen, bis sie darauf kam, dass es einfach irgendein Auto war, das auf der nahen Bundesstraße fuhr. Vielleicht zurück in ein glückliches Leben voller Liebe. Also ins krasse Gegenteil von ihrem Leben. Sie lebte genauso wie sie sich fühlte. Alleine. Es war nicht so, dass keiner sie mögen würde. Sie müsste es nur zulassen. Doch genau das tat sie nicht. Früher hatte sie Eltern, die sie über alles liebten und sie hatte Freunde, die immer zu ihr hielten. Sie sah auch ausgesprochen hübsch aus mit ihren langen schwarzen Haaren und den riesigen grünen Augen. Sie wollte einsam sein. Vielleicht, weil sie all das nicht sah. Vielleicht, weil sie dachte, dass niemand sie brauchte. Aber man kann es nicht genau sagen, denn sie zählte zu den Personen, die absolut undurchschaubar sind. Zu denjenigen die sich niemandem öffnen. Sie zog sich vollkommen von allen anderen zurück. Sie tat jeden Tag dasselbe.
Exakt dasselbe. Sie lebte wie ein Roboter. Der einzige Unterschied war, dass sie sich selbst steuerte. Ein lautes Schreien durchbrach die Stille. Zuerst realisierte sie nicht einmal, dass es von ihr stammte. Als sie es bemerkte brach sie in leises Wimmern aus und sank an der harten Wand entlang zu Boden. Dass sie sich dabei die Ellbogen aufschrammte, spürte sie kein bisschen. Denn der Schmerz in ihr übertraf dies um vieles.
Sie sank in sich zusammen auf die Straße. Sie wusste selbst nicht wie lange sie dort saß. Als ihr ein kühler Windstoß über ihr Gesicht fuhr, schüttelte sie ihren Kopf und dadurch auch etwas das beklemmende Gefühl von sich.
Ruckartig stand sie auf und versuchte weiter zu laufen. Sie schwankte und stütze sich an der Mauer ab. Da ein Nagel aus der Wand ragte, riss sie sich ein Stück ihrer Haut auf. Ein paar Tropfen Blut fielen auf den staubigen Boden. Das leise Tropfen durchbrach die Stille. Sie versuchte sich zu konzentrieren. Ihre Gedanken auf das zu lenken, was sie vorhatte. In der Ferne hörte sie Stimmen und leises Lachen. Sie wollte weg. Weg von dem Glück der anderen. Weg von allem und jedem. Es war eine Art Reflex. Ein Reflex wegzurennen, irgendwohin wo niemand war und niemand sie finden würde. Als sie weiterlief taumelte sie, aber fing sich im selben Moment wieder. Sie blickte sich um. Um sie herum waren graue Wände ohne Fenster. Sie kam sich vor wie in einem Labyrinth, in dem sie gefangen war. Angst überkam sie. Sie rannte einfach drauf los. Ihre Gedanken kreisten um ihre Vergangenheit, und darum, was mit ihr passieren würde. Aber ihr kam nichts in den Sinn. Ihr Leben war genauso trostlos wie die Stadt in der sie lebte.
Sie seufzte und trat endlich aus der Stadt. Als sie so an den letzten Häusern vorbeilief, flogen ihre Haare im Wind, weil sie immer schneller und schneller eilte. Einen Moment blieb sie noch mal stehen, weil ihr leise Zweifel über ihr Vorhaben kamen.
Aber dann rannte sie weiter. Weiter weg von ihrem Leben.
Und natürlich weg von ihrem Verfolger, der Angst vor sich selbst.
Sie warf einen letzten Blick zurück ins Grau, bevor sie sprang.
Sie sprang von der Brücke, die am Weitesten abgelegen war. Aber eigentlich war es egal auf welche Art, oder wo sie starb, denn niemand würde ihr Fehlen bemerken. Niemandem war aufgefallen, dass sie existierte.

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