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Verfolgt.

Ich renne durch den peitschenden Regen. Weiter, immer weiter. Verfolgt von meinem Gewissen. Ich muss weg. Ich kann das nicht mehr. Schneller, immer schneller. Ich stolpere über ein paar vereinzelte Wurzeln, rutsche auf glitschigen Steinen aus. Meine Knie sind aufgeschlagen, die Hände blutig.
Die Kleidung lässt sich nur noch als blutige Fetzen beschreiben. Überall auf dem Körper sind Schnittwunden von Dornen. Feine rote Striche auf der weißen Haut. Doch ich muss weiter.  Mein Brustkorb schmerzt und meine Füße können meinen Körper kaum noch tragen.  Ich renne über Felder, schleppe mich durch Flüsse, stolpere durch den Wald. Um vor meiner Vergangenheit zu fliehen. Ich muss weiter. Vor mir liegt ein kalter schwarzer Fluss. Der Wasserstand ist niedrig genug um hindurchzuwaten. Ohne Zögern stürze ich mich in das kalte, schwarze Nass. Die Kälte kriecht in meinen Körper. Ich zittere.
Ich spüre etwas an meinem linken Fußgelenk. Etwas Lebendes. Ich versuche noch den Fuß wegzuziehen, doch zu spät. Ein stechender Schmerz zuckt durch meinen Körper. Mir wird schwindelig. Doch ich kann jetzt nicht aufgeben. Ich bewege mich schneller und spüre dabei schon fast wie sich das Gift verteilt. Ich trete auf spitze Steine und Scherben, meine Füße sind blutüberströmt, als ich aus dem Wasser hinke. Doch ich muss weiter.  Verfolgt.
Meine Beine tragen mich auf ein nebliges Moor zu. Ich kann mich kaum noch halten.
Langsam sinke ich weiter ein.  Ich kämpfe mich weiter.  Meine Haare verknoten sich und bleiben in den umherstehenden Gewächsen hängen.  Ich muss weiter.
Ich stolpere über eine Wurzel und falle in den Matsch. Mühsam richte ich mich auf.  Doch ich sinke weiter ein. Ich kann nichts machen. Das Moor verschluckt mich. Bis zur Hüfte stecke ich fest. Und immer weiter runter. Ich verliere Zeit. Ich klammere mich an eine Wurzel und versuche mich hochzuziehen. Immer weiter arbeite ich mich hoch. Fast habe ich es geschafft. Meine Kräfte schwinden. Ich sinke ein Stück zurück. Ich weiß inzwischen nicht mehr was Wärme überhaupt ist. Verzweiflung steigt langsam in mir auf. Werde ich es schaffen?
Werde ich fliehen können?
Verfolgt.
Mit den Gedanken bei meiner Vergangenheit und bei meinem Ziel ziehe ich mich wieder ein Stückchen hoch. Ich schwitze kalten Schweiß. Ich habe es fast geschafft.
Mit meinem Ziel vor Augen, spanne ich meine Muskeln noch einmal an und komme frei. Ich rappel mich auf. Langsam ist es unmöglich. Ich kann kaum noch sehen. Doch ich laufe weiter.  Inzwischen stolpere ich über Felsen. Bald bin ich da. Ich kann kaum noch gehen, meine Beine schwach.  10 Meter noch. Alles dreht sich. Ich stolpere ein paar Schritte vorwärts. 8 Meter. Ich falle. Alles wird schwarz. Das darf nicht sein. Ich bin so nah am Ziel.  Ich klammere mich an die Felsen und konzentriere mich weiter. Der Regen peitscht mir weiter ins Gesicht. Langsam sehe ich wieder etwas. Umrisse. Aber das reicht. Ich rutsche mühsam auf meine Knie. Und stehe zittrig auf. Ein Schritt. Noch ein Schritt.
Ich muss es einfach schaffen. Alles dreht sich wieder. Noch ein Schritt. Ich spüre auf einmal alle Verletzungen. Nur der Schmerz. Nichts Anderes. Er treibt mich an. Noch ein paar Schritte. 5 Meter noch. Ich laufe los. Ich weiß nicht wie lange ich mich noch halten kann. 1 Meter. Meine Beine knicken ein. Mit der letzten Kraft stoße ich mich ab und springe. Ich bin an der Schlucht. Ich falle. Ein Glücksgefühl breitet sich in mir aus.
Vor mir sehe ich nur noch ihn. Meinen Bruder. Ich habe ihn verloren. Für immer. Doch gleich wird das alles egal sein. Kurz vor dem Aufprall wirkt das Gift endgültig. Ich verliere das Bewusstsein. Die Anstrengung, die Verletzungen, das Gift. Ich pralle auf. Tot. Das letzte was ich sah, war sein Gesicht. Mein Bruder. Doch ich habe es geschafft. Ich bin meiner Vergangenheit entkommen.

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