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Bist du am Leben interessiert? Hast du dieses Wunder schon kapiert?
Das Leben ist schwer zu durchschauen und fühlt sich unreal an, so als wäre es ein Traum
Und man weiß nicht wirklich, wer Freund oder Feind ist und es fällt schwer zu vertrauen
Du brauchst ein starkes Herz, aber kein hartes, sonst wird es kalt in der Brust
Eins haben Feiglinge nie erkannt: Man kann wachsen am steigenden Widerstand
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Ich stand auf. Ich stand auf wie ich jeden Morgen auftstand. Durch die übertriebene Musik von Emma.
Techno.Morgens um halb 8 verträgt sich nicht gut mit meinen Schlafgewohnheiten. Ich schrie sie an und beschwerte mich, wieso auch nicht? Sie war meine Zwilingsschwester, man verlangte nicht von uns, dass wi uns 24 Stunden am Tag lieben.
Also stampfte ich zu ihrem Zimmer nach nebenan und trat in ihr Zimmer.
Es war das komplette Gegenteil von meinem. Mein Zimmer wurde immer gerne mit einem Puff verglichen, weil alles rot war. Meine Wände waren rot-weiß gestreift, meine Bettwäsche war rot, mein Schrank hatte rote Punkte bekommen, meine Lampe hatte einen roten Überzug....Überall nur Rot. Meine Lieblingsfarbe eben.
Emma's Zimmer aber war komplett anders, irgendwie steril. Bei ihr war alles weiß und braun. Ihre Wände waren eine Mischung aus pink,lila,rot und weiß. Die Farben die wir vor einem Jahr noch übrig hatten. Ihr Schrank war weiß, mit einem dunklen Braun, passend zu ihrem dunklen Laminatboden. Ihre Bücherregale waren weiß, genauso wie ihr Schreibtisch. Ihre Bettwäsche war ein Mix aus allen möglichen Farben, mit millionen Kissen und Decken. Sie war viel chaotischer als ich.
Ich stampfte in ihr Zimmer und legte auch schon los.
"Was soll diese ganze scheiße Emma? Hast du mal auf die Uhr geguckt? Egal ob wir heute noch frei haben oder nicht, ich will schlafen" Doch ich hielt kurz inne. Meine Schwester saß dort am Boden und weinte.
Mein Ärger war für den ersten Moment erstmal verflogen und ich setzte mich neben sie und hielt sie einfach im Arm. Fragen was los war musste ich nicht, ich wusste schon das ihr Freund Stefan schluss gemacht hatte. Ich fühlte einfach was sie fühlte.
"Wieso macht er das? Aus heiterem Himmel sagt er mir, dass er mich nicht mehr sehen will und dass ich gefälligst aus seinem Leben verschwinden soll. Wieso?" schluchzte sie auf.
Ich antwortete nicht darauf.
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Ich frühstückte ausgiebig, denn ich liebe ein ausgedehntes Frühstück. Währendessen las ich die "Bild", die meine Mutter mir hier gelassen hatte.
Emma veruschte sich optisch wieder herzurichten und ging duschen. Sie tat mir so Leid. Jan und ich hatten uns schon 5mal getroffen und uns von Mal zu Mal besser verstanden, bei unserem letzten Date hatten wir uns auch geküsst. Aber dieses Date war jetzt auch schon wieder 3 Tage her, ohne das ich etwas gehört hatte. Wieso machten Jungs sowas mit uns? Immer spielen sie mit uns. Rufen nicht an. machen einfach Schluss. Verletzten uns.
"Emi, wo hat Mama nochmal die Schlaftabletten hin?" Ich hatte nicht gehört, dass Emma runtergekommen war.
Ich lachte. Es war ein Lachen aus tiefsten Herzen, ein lachen das Emma sofort ansteckte. Natürlich hatte sie einen Spaß gemacht, sie war ja noch viel zu jung um jetzt schon zu sterben...
Ich frühstückte fertig und duschte dann ebenfalls. Emma saß mal wieder am Computer und bearbeite ihre HomePage. Oder sie schrieb mal wieder mit Anna. Eins von beiden war es auf jeden Fall.
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Ich hatte vorgehabt den Tag zu genießen, schließlich war es eigentlich der erste Schultag nach den Ferien. Der Schnee hatte uns noch einen weiteren freien Tag beschert.
Aber Emma hatte so schlechte Laune, dass ich keine große Lust hatte zu Hause zu bleiben.
"Em, was hälst du davon wenn wir heute in die Stadt gehen? Wir waren schon lange nicht mehr zusammen shoppen und es hat gerade aufgehört zu schneien." fragte ich sie und setzte mich auf ihr Bett.
"Hmm" machte sie nur weswegen ich nachschaute mit wem sie schrieb.
"Du schreibst mit Stefan?" fragte ich sie erstaunt. Aber sie antwortete mir nicht. Sie verabschiedete sich von ihm und sah mich dann an.
"Gehen wir in die Stadt" sagte sie nur und zog sich schon ihre Stiefel an.
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In der Stadt war überhaupt nichts los, was ziemlich erstaunlich war. Unsere Schule war schließlich geschlossen, das waren über 900 Schüler. Ließen sie sich ihre einmalige Chance vergehen?
Auf jeden Fall gingen Emma und ich in alle möglichen Läden. Einfach nur so zum Spaß, denn Emma kaufte sich rein gar nichts. Sie sparte auf ihre Spiegelreflexkamera. Und solche sind ziemlih teuer. Ihre letzte Kamera hatte sie zwar erst 4 Monate zuvor bekommen, aber sie war nicht das was ihr gefiel. Sie fotografirte wie wild und ich liebte ihre Bilder, aber ihr gefielen sie nicht.
Jedenfalls kaufte ich mir unmengen von Klamotten und Schuhen, sodass wir volbepackt den Heimweg antreten wollten.
Aber wir trafen Nasty, die anscheinend einen freien Tag von der Uni brauchte, oder erst später einen Kurs hatte.
Wir verquatschten uns so ziemlich, was bei uns kein Wunder war.
Nasty war 5 Jahre älter als wir und wohnte im Haus nebenan. Bis wir 9 waren, hat sie öfters auf uns aufgepasst und es war eine Freundschaft entstanden die noch weit darüber hinaus anhielt.
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Irgendwann beschlossen wir abends zusammen zu kochen. Also fuhren wir zum nächsten Supermarkt und kauften genügend Essen für drei Fußballmannschaften ein. Wir wollten Kartoffelgratin mit Schweinemedaillons machen und dazu Feldsalat. Unsere Lieblingsessen eben. Nasy liebte Kartoffelgratin, Emma machte,bzw. aß am liebsten Schweinemedaillons und ich liebte Feldsalat. Und wir kauften Eis ein. Riesige Pötte voll Eis.
Es war ein so schöner Tag. Vom traurigen Morgen war nichts mehr zu merken. Nasyt erzählte ein paar Anektdoten aus der Uni und ich erzählte von unserer Schule. Bis dahin war mir überhaupt nicht aufgefallen wie abwesend Emma war. Sie war vollkommen still und nickte nur ab und zu und das hatte ich noch nie bei Emma erlebt.
"Was ist los?" fragte ich sie also und wir blieben stehen.
"Nichts. Was soll schon los sein? Mir gehts gut. Richtig gut" Das hört sich jetzt vermutlich so an als hätte sie es sarkastisch gesagt, aber sie sagte es völlig ernst und mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Ich hätte ihr nicht glauben sollen.
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Wir kamen an die Kreuzung zweier großer Hauptstraßen und einer kleinen Nebenstraße. Hier war immer viel los, allerdings selten um diese Uhrzeit.
Es war kaum ein Auto weit und breit zu sehen, weswegen Nasty und ich bei Rot über die Straße gehen wollten, aber Emma hielt uns zurück.
"Auf der anderen Straßenseite steht ein kleines Kind" sagte sie und sie hatte Recht.
"Wisst ihr schon die neusten Nachrichten von Andreas? Er hat eine 18-jährige für einen Abend gemietet. Ist das zu fassen?" erzählte Nasty während wir auf die grüne Ampel warteten. Ich musste lachen und auch Emma lachte endlich wieder.
Ich sah weder wie das Auto ankam, noch hörte ich wie Emma meinen Namen rief, noch bekam ich mit wie Nasty Emma und ich nach hinten zog.
Ich weiß nur, dass ich auf dem Boden aufprallte, halb über Nasty und das Emma nicht bei uns war.
Aus Erzählungen von Nasty weiß ich, dass sie das Auto angerast gesehen hat und uns zurückgezogen hat um uns zu beschützen. Emma ist dabei auf dem Eis und dem Schnee ausgerutscht und hingefallen. Sie wollte aufstehen als das Auto sie..,naya.
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Dann sah ich sie dort liegen und als erstes schoss mir durch den Kopf, dass jetzt ihr weißer Mantel dreckig war. Schwachsinnig.
Ich stand auf und rannte auf sie zu, hob ihren Kopf und flüsteret ihr zu, dass sie ruhig schlafen konnte, sie hätte ja die ganze Nacht damit verbracht wegen Stefan zu weinen. Ich sah zwar das viele Blut, nahm aber nicht wahr, dass es von ihr stammt.
Nasty kam nun ebenfalls an und zog mich weg von ihr. Ich stand völlig neben mir und weinte wie verrückt.
Sie brachten mich ins Krankenhaus wo ich wegen einer leichten Gehirnerschütterung behandelt wurde.
Sandra kam als Erste, Mama erst ein paar Stunden später. Auch Jan kam. Ich verstand nicht wieso sie alle bei mir waren. Schließlich war Emma gerade überfahren worden.
Am nächsten Morgen wurde ich erst entlassen und erst als ich zu Hause war wurde mir so richtig bewusst was am Vortag geschehen war. Fast eine ganze Woche lang blieb ich zu Hause und vergrub mich in ihrem Zimmer.
Am Anfang leugnete ich es, glaubte nicht daran. Dann war ich extrem sauer auf den Fahrer und schließlich kam noch die überwältigende Trauer. Die Beerdigung war das Schlimmste was ich mir je in Alpträumen hatte vorstellen können. So viele Menschen waren da. Freunde meiner Mutter, Freunde der Familie, Freunde von Emma & mir, Mitschüler, Lehrer. Sogar unser alter Kinderarzt kam, auch wenn ich glaube das meine Mutter damals was mit ihm hatte.
Das wirklich schlimme daran waren die Heuchler. Leute, die an ihrem Grab standen und zwei Krokodilstränchen verloren und behaupteten gut mit Emma befreundet gewesen zu sein. Das war das Schrecklichste.
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Das Leben ging weiter. Es mchte keinen Halt auch wenn meine Schwester nicht mehr da war.
Nach einer kleinen Ewigkeit wie es schien, tauchte endlich der Fahrer auf. Es kam schnell zu einer Verhandlung, womit niemand gerechnet hätte. Sowohl Nasty als auch ich musste aussagen was wir gesehen haben. Es sprachen noch andere. Fußgänger von damals, Freunde des Fahrers und er selbst.
Nach drei langen Verhandlungswochen wurde er schuldig gesprochen. Fahrlässige Tötung. Er bekam 3 Jahre auf Bewährung. Seine Freunde die ihn dazu angestiftet hatten bekamen eine Geldstrafe im Wert von insgesamt 9.400 €.
Viele Leute sagen, dass wir Glück gehabt haben, er hätte schließlich freigesprochen werden können. Und auch, dass er seinen Führerschin für zwei Jahre verloren hat sollte uns froh stimmen, schließlich gäbe es keine weiteren Opfer.
Aber natürlich. Wir freuen uns und feiern ein Fest. Yippie, der Kerl der meine Schwester umgebracht hat, ob absichtlich oder nicht, kann die nächsten zwei Jahre niemanden mehr umfahren.
Macht das Emma wieder lebendig? Ich denke nicht.
Ich wünsche ihm den Tod. Das ist normal nicht meine Art und es klingt hart, aber er hat fahrlässig gehandelt. Er wusste, dass er zu betrunken war um noch richtig zu fahren, er wusste genau, dass er andere in Gefahr brachte. Er wollte cool sein und fuhr.
Ich habe einen Bericht gelesen, ein Interview mit ihm. Der Reporter hatte ihn gefragt ob er es bereuen würde sich auf die Mutprobe eingelassen zu haben. Er sagte Nein. Ist das zu fassen? Er sagte nein. Bereut hatte er nur, dass er verurteilt wurde und das sein Führerschein weg ist, er bereut es, sich keinen besseren Anwalt genommen zu haben.
Ich glaube wenn ich ihm über den Weg laufen würde, dann wäre er nicht mehr sicher.
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