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Sie fragen, warum ich mich so verändert habe. Sie fragen, warum ich mich vom freundlichen, lieben, wissbegierigen Mädchen zu einer desinteressierten, frechen Schlampe verwandelt habe. Warum ich jeden Tag in der Schule sitze, meine Sachen nicht mache und sie angifte.
Sie fragen, was aus dem Mädchen geworden ist, das sie kennen. Sie wollen die Antwort wissen, jetzt und hier.
Aber ich kann ihnen die Wahrheit nicht sagen. Sie müssen es selber herausfinden, selber sehen, was in mir vorgeht.
Denn das Mädchen, das sie kennen, gibt es nicht mehr. Es ist in mir drin gestorben und ein anderes ist an ihre Stelle getreten.
Ich habe mich verändert. Aber nicht so, wie sie vielleicht denken. Ich bin nicht so schlimm geworden.
Das ist nur meine Maske. Ich will, dass sie unter diese Maske schauen, weil ich nicht über meine Gefühle & Ängste reden kann.
Sie tun es nicht.
Vielleicht sollte ich aufhören, mich so zu verstellen und einfach so sein, wie ich bin.
Aber ich kann es nicht. Ich kann ihnen nicht zeigen, dass ich verletzt bin, zerstört, zerbrochen. Sie müssen selber draufkommen, und zwar bald.
Manchmal muss ich sogar fast lachen über ihre Blindheit. Meine Augen sind längst nicht mehr so fröhlich, wie sie einmal waren. Ich lache nur selten, und wenn ich es tue, erreicht es nicht einmal meine Mundwinkel. Aber anscheinend genügt das, genügt es, um sie glauben zu lassen, ich bin glücklich.
Sie sind blind, so blind.
Sie sehen nicht, dass sie mich damit kaputt machen. Dass sie es sind, die mich dazu bringen, mich selber kaputt zumachen.
Verdammt, ich kann ihnen die Antwort nicht geben. Sie müssen doch sehen, wie verzweifelt ich bin. Sie müssen doch sehen, dass ich stumm um Hilfe schreie, dass ich fast am Ende bin, meine Kraft nicht mehr lange reicht, um diesen ganzen Wahnsinn noch länger mitzumachen.
Sie fragen noch einmal. Ich schaue ihnen in die Augen. Einen nach dem anderen. Aber keiner sieht es.
Sie sind blind, so blind.
Nach einer viertel Stunde gehen sie. Sie haben mein Schweigen wieder mal als Trotz empfunden, als Widerwille, und nicht als das, was es wirklich ist: Ein Hilferuf.
Sie sind blind, so blind.
Eine Träne fließt aus meinem rechten Auge. Die erste seit vier Wochen. Plötzlich spüre ich den bitteren Geschmack von Galle in der Kehle, den dringenden Drang, mich zu übergeben.
Und mit ihm die Gewissheit, dass es wirklich keinen Sinn mehr hat.
Und trotzdem kann ich nicht gehen. Ich bin gefangen in meinem Leben, das nicht mehr ist, als ein riesiger Scherbenhaufen aus zerbrochenen Hoffnungen, den Hoffnungen, glücklich zu sein, ein schönes Leben zu haben, dass es Hilfe gibt.
Es gibt so viele Menschen, die mich kaputt machen. Aber genau wegen ihnen kann ich nicht sterben.
Weil ich sie viel zu sehr liebe, um sie so zu verletzen.
Und niemand hilft mir.
Weil sie blind sind, so blind.
(c)

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