Und da stand sie vor mir. Meine beste Freundin. Mit verweintem Gesicht, offenen Knien, zerschnittenen Armen, Augenringen und wirkte als würden ihre Beine sie nicht mehr länger tragen können. Als würden ihre Schultern die ganze Last nicht mehr aushalten.
Was sollte ich sagen was ihr helfen würde. Es gab nichts. Nichts konnte ich sagen um es besser zu machen. Ich konnte sie nur in den Arm nehmen. Sie fest umarmen. So fest das sie aufhörte zu schluchzen. Doch sie hörte nicht auf zu zittern. Hörte nicht auch leise an meiner Brust zu weinen. Die warmen Tränen duchnässten mein Shirt. Ich war hilflos. Meine beste Freundin leidet unter Depressionen und ich stehe hilflos dar. Alles was ich tun kann ist, sie jeden Samstag bis ins Wartezimmer zu bringen, dort zu warten bis ihre Therapiestunde vorüber ist um sie wieder nach hause zu begleiten. Und ihr Geschichten vor zu lesen. Geschichten aus unserer Kindheit. Sie möchte nicht mehr mit mir über ihre Gefühle reden und was bleibt mir übrig als das zu akzeptieren und zu lesen.
Doch nun war etwas schreckliches passiert. Das spürte ich. Sie war bisher stark genug um jede menschliche Regung, jedes menschliche Gefühl zu verbergen. Doch jetzt stand sie so vor mir und es war unerträglich sie so zu sehen. Eine Träne rollte mir über die Backe und tropfte auf ihre braun-roten Haare. 'Was ist geschehn' fragte ich sie. Doch sie antwortete nicht. Stunden hielt ich sie in meinem Arm und hatte Angst sie los zulassen. Ich wollte es auch überhaupt nicht.
Wie kann ein Mensch so stark und doch so zerbrochen sein, frage ich mich. Wie kann ein Mensch so viel ertragen und doch so sehr kaputt daran gehen. Wieso passiert den guten Menschen immer das schlechteste. Fragen über fragen und doch werde ich sie nie beantworten können oder nur Vermutungen aufstellen.
Nach einer Weile schaute sie mich an. Und ich sah es in ihren Augen. Die Verzweiflung, der Schmerz, die Sehnsucht, den Selbsthass. Ich sah alles. Nur keine Hoffnung.
Und dann sah ich die kleine Schachtel in ihren Händen. Ich sah die kleinen bunten Pillen darin. Diese bunte Ironie war zu viel für mich. Die Tränen liefen mein Gesicht hinunter und ich musste mich setzen. 'Wieso tust du das. Wieso tust du das uns an.'
Die Psychiaterin hatte mich einmal darauf vorbereitet. 'In dieser fortgeschrittenen Phase ihrer Depression sind Selbstmordgedanken nicht ausgeschlossen.' Doch da wollte ich es nicht wahrhaben und verließ den Raum.
Das Mädchen vor mir sah mich an. Voller Leid. 'Es hat nicht funktioniert.' Sagte sie mit Tränen in den Augen. 'Es hat nicht funktioniert'