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Ich weiß, wer ich bin. Aber nicht, wie ich aussehe. Ich sehe in den Spiegel. Und ich erkenne mich darin. Ich sehe, wer ich bin. Dass ich es bin. Aber nicht, wie ich aussehe. Ob gut oder schlecht, ob schön oder hässlich. Ich weiß es nicht. Ich habe es noch nie gewusst. Und weiß nicht, ob ich es jemals wissen werde. Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich mich. Ich sehe mich. Mein Gesicht. Meine Stirn, meine Augen, meine Nase, meinen Mund, meine Wangen, mein Kinn. Mich. Das bin ich. Als Mensch und als Person. Es ist ein Spiegelbild und mein eigenes. Aber ich kann nicht sehen, ob es gut oder schlecht, schön oder hässlich ist. Ich kann mich nicht sachlich betrachten und objektiv beurteilen. Ich sehe einen Menschen und eine Person im Spiegel von außen, aber das Bild in meinem Kopf zeigt einen Menschen und eine Person von innen. Denn ich stehe nicht allein vor dem Spiegel. Ich stehe da, als Mensch und als Person mit Gedanken und Gefühlen, Sorgen und Ängsten. Ich sehe mich mit meinen hässlichen Gedanken und schlechten Gefühlen, mich mit meinen schlechten Sorgen und hässlichen Ängsten. Sie lassen mich Schlechtes und Hässliches im Spiegel sehen. In meinem Spiegelbild. In mir. Ob ich äußerlich auch schlecht und hässlich bin, soll er mir zeigen. Und lässt mich sehen, was ich schon weiß. Ich habe ein schlechtes Bild von mir und mache mir hässliche Gedanken darüber. Ich mag meine Stirn nicht. Sie ist zu fettig. Ich mag meine Augenbrauen nicht. Sie sind zu hell. Ich mag meine Augen nicht. Sie sind zu klein. Ich mag meine Augenfarbe nicht. Sie ist zu gewöhnlich. Ich mag meine Wimpern nicht. Sie sind zu kurz. Ich mag meine Nase nicht. Sie ist zu rund. Ich mag meine Lippen nicht. Sie sind zu schmal. Ich mag meine Wangen nicht. Sie sind zu voll. Ich mag mein Kinn nicht. Es ist zu pickelig. Ich bin ganz schön hässlich. Oder hässlich schön. Davon habe ich mir ein Bild gemacht. Ich habe mich fotografiert. In einem Passbildautomaten. Im Portrait von vorn. Im Profil von links. Im Profil von rechts. Weil ich mich im Spiegel nicht finden kann. Nicht finden kann, wonach ich suche. Nach mir. Nicht als Mensch und nicht als Person. Einfach von außen betrachtet. Nur von außen gesehen. Ob ich gut oder schlecht aussehe, schön oder hässlich bin. Oder irgendwas dazwischen oder mittendrin. Fotos, auf denen ich mich einfach nur ansehen kann, ohne dass sie meine Gedanken und Gefühle in meinen Augen, Sorgen und Ängste in meiner Mimik wiederspiegeln. Einfach nur Fotos. Einfach nur Bilder. Schon viele Jahre sehe ich so in den Spiegel. Als junges Mädchen habe ich mich nach Jahren gesehnt. Die Jahre, die mich älter und schöner hätten machen sollen. Ich habe gedacht, die Jahre und das Älterwerden würden mich zu einer Frau machen, die in ihrem ganzen Leben nie schöner sein wird, als in ihren Jahren als junge Erwachsene. Hohe Wangenknochen würden nicht mehr unter kindlichen Rundungen mit Pausbäckchen verborgen bleiben und markante Gesichtszüge würden unter den weichen Konturen deutlich werden. Aber der Spiegel spiegelt noch heute das kleine Mädchen zurück. Alles um mich herum scheint verändert, nur der Spiegel zeigt das gleiche Ebenbild und die Fotos das gleiche Abbild. Nur in meinen Augen sehe ich, dass ich schon viel gesehen habe. Aber je mehr Jahre hinzukommen, desto besser gefällt mir, was ich sehe. Was ich im Spiegel sehe. Was ich in mir sehe. Es ist wie mit einem alten Stofftier aus frühen Kindertagen. Es begleitet einen schon das ganze Leben lang und auch wenn es nicht schön ist, sieht man wohlwollend über die Holzwolle hinweg, die aus den Nähten quillt und über den roten Flicken unter dem Auge. Und wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich das Gesicht, das mich schon mein ganzes Leben lang begleitet und auch wenn es nicht schön ist, sehe ich wohlwollend über den Babyspeck hinweg, der die Wangen füllt und über den roten Pickel unter dem Auge. Man gewöhnt sich an Schönes wie an Hässliches. An alles Schöne nur schneller und nimmt das Schöne schnell nicht mehr wahr. An Hässliches will man sich gar nicht gewöhnen, bis man es muss. Und dann wird aus etwas Hässlichem vielleicht noch etwas Schönes, weil man sich eben doch daran gewöhnt hat. An Holzwolle und rote Flicken genauso wie an Babyspeck und rote Pickel. Vielleicht lernt man auch irgendwann, dass man was man sucht, nicht im Spiegel findet. Nicht in dem, was der Spiegel zeigt. Vielleicht lernt man, es woanders zu suchen. In sich selbst oder außerhalb von sich selbst, aber nicht an sich selbst. Vielleicht lernt man, es zu finden. Ich möchte es in keinem anderen finden. Ich möchte keinen Tag im Leben eines anderen leben und ich möchte keinen Tag mit anderem Geschlecht leben. Ich möchte nur einen Tag im Leben eines schönen Menschen verbringen. Ich möchte wissen, ob alles nur schöner Schein ist und alles nur schöner scheint. Ich möchte wissen, wie es ist, schön zu sein und zu wissen, dass man schön ist. Ich will nicht wissen, ob es schöner einfacher ist oder schöner besser ist. Ich möchte nur einmal schön sein. Sich nicht schön fühlen sondern schön sein. Von anderen als schön empfunden werden. Vielleicht wüsste ich dann, ob ich selbst schön oder hässlich bin. Vielleicht wüsste ich es, nachdem ich wüsste, wie es sich anfühlt, schön zu sein. Wie es sich anfühlt, von anderen als schön empfunden zu werden. Vielleicht ist es nicht anders als jetzt. Vielleicht ist es ganz anders als heute. Vielleicht ist es viel schöner als jetzt oder viel hässlicher als heute. Vielleicht ist es immer wieder anders. Weil schön immer wieder anders ist. Schönsein für jeden anders ist. Und ich immer wieder anders schön bin, weil ich schöner anders wäre. Oder ich immer wieder ganz schön anders bin, weil ich anders schöner wäre..

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