login   anmelden   
 
Ja   nein   

Kapitel 1

Acht Jahre später saß Tristian in seinem Zimmer und schrieb mal wieder einen Aufsatz, den er von seinem Großvater aufbekommen hatte, als es an der Tür klingelte.
Tristian hechtete zu dem großen Eichenportal, das zu der großen Eingangshalle führte. Schon als er zum ersten mal dieses Tor sah, war er fasziniert von seiner Schönheit. Trotz seiner Größe und Schwere hatte es etwas Filigranes. Vielleicht waren es die vielen Verzierungen, die ihm diese Leichtigkeit verliehen.
An der Tür war ein junger Mann, vielleicht Ende 20, der eine Botschaft für Tristians Opa hatte.
Allerdings wollte er die Botschaft nur persönlich überbringen und Tristian fragte Opa Roy des Öfteren was in den Briefen stünde und wer der Verfasser sei, doch jedes Mal antwortete sein Großvater ihm auf dieselbe Art und Weise:
„Du wirst es noch früh genug erfahren, geh und mach deine Übungen...!“
Diese Geheimnistuerei ging nun schon mehrere Monate und Tristian fasste den Entschluss, das seinem Opa nicht mehr als Antwort durchgehen zu lassen.
Doch das Schicksal schien ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Sein Opa wurde sterbenskrank. Es war eine Art Fieber, doch der Arzt aus der Stadt konnte nichts für ihn tun. Tristian musste hilflos mit ansehen wie ihn der Lebensgeist langsam verließ. Der Arzt sagte er würde nicht mehr lange auf der Welt verweilen, allerdings sei das Fieber nicht ansteckend. Das half Tristian auch nicht weiter. Vielleicht würde schon in wenigen Tagen der letzte Mensch, der ihm geblieben war, ihn für immer verlassen. Was sollte er bloß machen wenn sein Großvater nicht mehr da wäre. Sollte er hinausziehen und seine Eltern rächen, oder sollte er hier bleiben und sich um die Bibliothek kümmern, um 2000 Jahre Literatur der Menschheit, die wohl letzten existierenden auf Papier niedergeschriebenen Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit, an die Geschichte und die Herkunft der Menschheit. Oder sollte er selbst ein neues Kapitel der Menschheit schreiben und sie und die Gallix von der drohenden Tyrannei der Creic befreien, so fern das überhaupt in seiner Macht stand.
Am Abend bekamen er und sein Opa ungewöhnlichen Besuch, Rory, Meister Lorenors Tochter.
„Du? Was machst du denn hier? Dich hätte ich hier am wenigstens erwartet.“, sagte Tristian als er die Tür öffnete.
„Ist es verboten einem guten Freund einen letzten Besuch abzustatten. Also willst du mich nicht bitten einzutreten?“, erwiderte Rory und trat gleichzeitig ohne eine Antwort abzuwarten ein. Sie schien sich in der Bibliothek gut auszukennen, den sie lief schnurstracks zu dem Schlafgemach seines Großvaters. Tristian schloss nach ihr die Tür. Als Tristian jedoch zu den beiden stieß, bat sein Großvater ihn draußen zu warten, er wolle gern mit Rory allein sprechen. Tristian konnte einfach nicht verstehen warum, aber er wollte seinem Großvater nicht widersprechen. Er wollte  raus gehen um ein wenig frische Luft zu schnappen, doch er entschied sich trotz dessen, dass sich sein Gewissen meldete, an der Tür zu lauschen. Er bekam nur Bruchstücke mit.
„…du musst ihn darauf vorbereiten, …sie werden bald kommen,…ich konnte ihn noch nicht aufklären was es mit den Briefen auf sich hat, er hätte seine Ausbildung vernachlässigt,… versprich mir das du ihm hilfst, … er wird dich brauchen.“, es war Opa Roy, der mit zitternder Stimme sprach. Rory fing an zu weinen. Tristian verstand nicht. Was war mit den Briefen? Warum wusste Rory davon? Warum gerade sie? Sie war kein einziges Mal hier in der Zeit in der er hier in der Bibliothek war. Wer würde kommen?
Plötzlich kam Rory aus dem Raum.
„Dein Großvater möchte dich noch einmal sprechen…!“, sagte Rory kurz angebunden und ging.
„Opa, was ist mit den Briefen? Wer wird kommen?“
„Tristian, du warst wie ein Sohn für mich. Ich kann es dir nicht sagen, aber du wirst es bald erfahren. Versprich mir das du die Literatur in Ehren hältst und jetzt geh und lass mich meinem Geist in die seligen Gefilde emporsteigen….“ Mit diesen Worten starb Opa Roy.
Tristians Auge füllten sich mit Tränen. Er nahm die Hand seines Großvaters, sie war noch warm. So wachte er noch einige Minuten am Bett seines verstorbenen Großvaters. Dann stand er auf, verließ das Zimmer und ging in die Stadt. Er  wollte einen klaren Kopf bekommen und außerdem wollte er Antworten von Rory.

Das Dorf wirkte dunkler und die Stimmung war bedrückter, als jemals zuvor. Von Osten her zogen große Wolken auf, es würde wohl bald Regen geben. Die alten Frauen, die sonst immer an ihren Fenstern saßen und von denen einige Tristian immer nett zu gewunken hatten, zogen hastig ihre Vorhänge zu, als Tristian am Bürgersteig vor ihrem Haus entlang lief. Tristian bekam auf dem Weg durch die Stadt Rory nicht zu Gesicht, allerdings traf er ein dutzend Leute, die ihm ihr Beileid bekundeten. Sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Seine Suche nach Rory blieb auch nach dem Besuch ihr zu Hause erfolglos. Sogar ihr Vater Meister Lorenor wusste nicht, wo sie aufzufinden zu sei. Aber er bot ihm an bei ihm erst einmal zu bleiben um das Geschehene zu verarbeiten, doch Tristian lehnte ab, denn ihm fiel ein, dass die Briefe, um die seine Gedanken, die ganze zeit kreisten, noch im Arbeitszimmer seines Großvaters liegen dürften. Er beeilte sich, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, doch sein Nachhauseweg verzögerte sich um etliche Minuten, durch erneute Beileidsbekundungen von Bewohner der Stadt und einiger ihm völlig unbekannter Personen. Eins war ihm klar, diese Rory musste ein Plappermaul sein, denn die Nachricht vom Tode seines Großvaters schien sich wie ein Lauffeuer verbreitet zu haben.
Als er zu Hause ankam, fand er die Haustür im geöffneten Zustand vor, dabei war er sich sicher sie geschlossen zu haben, nach dem Verlassen der Bibliothek. Schon beim Betreten der Eingangshalle hörte er eine raue Männerstimme Befehle verteilen, auf einer ihm unbekannte Sprache und den angsterfüllten Schrei eines Mädchens, gefolgt von Lärm der sich nach Umschmeißen von Mobiliar anhörte. Die Geräusche schienen aus dem Arbeitszimmer des Großvaters zu kommen. Tristian stieg schnellen Schrittes die Treppe hinauf und sah, dass die Tür zum Arbeitszimmer einen Spaltbreit offen stand. Als Tristian durch den Spalt lugte, konnte einen großen schwarzhaarigen Mann, der in der Mitte des Raumes stand, erkennen. Tristian konnte Rory zwar nicht erkennen, aber er konnte die Hilfeschreie problemlos ihr zu ordnen. Sie war eine gute Kämpferin, dass wusste Tristian mittlerweile, denn er musste es am eigenen Leib erfahren. Er musste einige Male gegen sie kämpfen und verlor jedes Mal, doch, dass spornte ihn nur mehr und mehr an seine kämpferischen Fähigkeiten zu verbessern. Allerdings kämpfte auch Rory jedes Mal verbitterter, als beim Mal  davor. Sie versuchte es ihrem Vater recht zu machen, doch so gut sie auch war, ihm langte es nie, zumindest hatte Tristian ihn Rory nie, für ihre Kampfkunst, loben gehört.
Doch nun war für Tristian die Gelegenheit gekommen, ihr und vor allem sich selbst zu beweisen, wie viel er schon gelernt hatte. Tristian nahm das Schwert, dass Samurai-Schwert, das sein Großvater schon vor Ewigkeiten von Meister Lorenor geschenkt bekommen hatte von der Wand, wiegte es kurz in seiner Hand und stürmte ins Zimmer. Tristian streckte zwei Männer auf einmal nieder. Der Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Er nutzte die Verwirrung, die durch sein plötzliches Auftreten entstanden war um einen weiteren Mann schwer zu verletzten und auch Rory reagierte blitzschnell und schlug den Mann, der sie unsanft am Arm hielt, nieder. Beide nutzten die letzten Momente der Verwirrung um aus dem Arbeitszimmer zu fliehen. Kaum, dass sie die Eingangshalle erreicht hatten, hörten sie erneut, die raue Männerstimme Befehle in der fremdartigen Sprache schreien.
Rory rannte zielstrebig und schnellen Schrittes zur Stadt. Sie bemühte sich nicht dem Pfad, der aus dem Dorf heraus zu Opa Roy’s Residenz über weite Wiesen führte und einen Bach kreuzte, zu folgen, sondern nahm den kürzeren Weg direkt über teilweise kniehohe Gräser. Weit hinter sich hörten sie das wilde Rufen der Männer, die noch eben dabei waren Opa Roy’s Arbeitszimmer  zu verwüsteten. Als Tristian sich umdrehte, konnte er fünf Gestalten ausmachen, die sie verfolgten.
Rory war schnell. Sie erreichte mit kleinem Vorsprung das Dorf. Tristian bemühte sich sie in den schmalen und verwinkelten Gassen nicht aus den Augen zu verlieren, aber es geschah. Ein Trost zumindest war, dass wohl auch die Verfolger sie aus den Augen verloren hatten. Tristian vermutete, dass Rory zu ihrem Vater gegangen war, und auch Tristian war es in den Sinn gekommen zu ihm zu gehen, vielleicht wüsste er Rat und vor allem vielleicht wüsste er Antworten auf die vielen Fragen, die ihm durch den Kopf schossen:
Was waren das für Leute?
Was wollten sie von Opa Roy und was suchten sie in seinem Arbeitszimmer?
Um was ging es in den Botschaften?
Und was hatte Rory mit alle dem zu tun?

Tristian kannte den Weg zu Meister Lorenors Haus mittlerweile gut. Er mied die viel begangenen Wege und erreichte unauffällig den Seiteneingang zu Meister Lorenors Haus, das am Rande des Dorfes lag. Die Tür war offen, deswegen trat Tristian gleich ein, doch kaum, dass er einen Fuß in die Tür gesetzt hatte, wurde er unsanft am Kragen gepackt, ins Haus gezogen und spürte eine kalte Klinge an seiner Kehle.
„Du…? Was machst du hier? Komm…, schnell!“, es war Meister Lorenor selbst, der verdutzt Tristian gegen die Wand gedrückt hielt. Er ließ das Schwert sinken und führte Tristian in die Lobby, wo Rory stand und eine kleine Umhängetasche packte.
„Du...?“, war ebenfalls das Erste was sie sagte, als sie ihn erblickte.
„Ja, ich! Was…, was war…, ist vorhin…? Was ist vorhin los gewesen?“, erwiderte Tristian.
„Keine Zeit zum Reden, sie kommen.“, unterbrach sie Lorenor, der aus einem Frontfenster geguckt hatte, „Schnell, zur Hintertür heraus. Beeilt euch, ich werde sie aufhalten!“
„Nein, Vater. Sie werden dich töten.“, Rory sprang auf und griff nach seinem Arm, doch er zog ihn weg.
„Flieht, euch bleibt nicht viel Zeit…, wenn es mein Schicksal sein soll, dann soll es so sein, doch dein Schicksal ist es nicht. Also flieh!“, sagte Meister Lorenor nahm die schneeweiße Schwertscheide von der Wand, zog das Schwert heraus, und warf sie Tristian zu. Tristian fing sie und betrachtete sie kurz. Dann packte er Rory am Arm und zog sie zur Hintertür. Kaum, dass er sie geschlossen hatte, rannte Rory los, direkt auf den Wald zu, der  an das Anwesen von Meister Lorenor grenzte. Tristian setzte ihr nach. Der Wald war wild und schon nach einigen Minuten, konnte Tristian keinen Pfad mehr erkennen, dem Rory hätte folgen können, doch sie lief so zielstrebig, als hätte sie einen gut gepflasterten, breiten Weg vor sich. Er merkte, dass sie sich auskannte.
Plötzlich hörte er, wie jemand etwas rief, doch der Wind, der immer mehr aufflaute, zerriss die Töne und warf sie nach allen Richtungen auseinander. Die Kiefern bogen sich und rieben unheimlich knarrend und quietschend ihre Zweige aneinander. Tristian konnte das Wühlen des Windes in den hohen Kronen der Kiefern sehen. Die Blattgehänge der vereinzelten Birken wehten und flatterten wie gespenstige Rossschweife. Die Nadelmasse glich einem schwarzgrünen, Wellen werfenden Meer und der Wald rauschte wie Meeresbrandung. Es begann zu regnen. Der Waldboden, der an vielen Stellen großflächig von Moos überzogen war, glänzte von Minute zu Minute mehr vor Nässe. Der Regen prasselte Tristian auf den kopf. Es tat ihm wohl und das eintönige Geräusch der tropfenschüttelnden Bäume gab ihm zum ersten Mal seit dem Tod seines Großvaters das Gefühl sich etwas zu entspannen.
Tristian betrachtete die Schwertscheide, die ihm Meister Lorenor gegeben hatte. Er hatte sie schon öfters betrachtet. Ein Mal, nach einem harten Training, stand er genau vor eben jener Schwertscheide und bewunderte sie. Sie war ein wahres Wunderwerk der alten Schmiedekunst der Menschen. Meister Lorenor hatte Tristian dabei beobachtet, wie er sie bestaunte und erzählte ihm, dass sie schon um 1200 nach Chr. Zur Blütezeit der japanischen Schmiedekunst am Fuße des Fujiyama geschmiedet worden war.
Tristian blickte von der Schwertscheide auf. Er konnte Rorys Gesicht zwar nicht erkennen, aber er wusste sie weinte.
Nach einer Weile hatte Tristian sein Zeitgefühl verloren, er hatte keine Ahnung wie lange er in diesem Wald unterwegs war. Dann hörte es auf zu regnen und auch der Wald wurde nach und nach lichter. Plötzlich blieb Rory stehen. Tristian beeilte sich um zu ihr zu kommen und dann blieb auch er stehen. Sie standen an einem steilen, felsigen Abhang und der Wald hatte den Blick  auf weite Ebenen freigegeben. Die Wolken hatten sich zerteilt, die Sonne stand groß am Himmel und am Horizont war ein Regenbogen zu erkennen. Und Mitten auf der Aue vor ihnen stand ein großes Raumschiff auf dem in großer Schrift der Name Raptui 3Zi stand.

Homepage Erstellung und Pflege: Superweb Homepage-Erstellung