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Den Keller vor lauter Wänden
Das Drama des P.Schmidt Kapitel eins
Das Drama des P.Schmidt Kapitel zwei
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Eins
Zwei Tage, zwei Tage, und dann ist alles vorbei.
Wer kennt das denn nicht? In jedem gibt es doch denselben Gedanken, alle sind wir Sklaven unserer Sinne.
"Der Fuchs geht herum, der Fuchs geht herum!" Kein Tag vergeht, ohne dass Herr Schmidt, rüstig und Beamter bei der Post, an dieses Lied seiner Kindheit denkt.
Derfuchsgehtherum. Ein Fuchsbau. Einen anderen Namen findet Herr Schmidt nicht, für dieses Monster aus Stahl, welches ihm jeden Morgen Hallo sagt.
Ecke Schumanstrasse, Friesenplatz. Schon immer stand es da, dieses...Ding. Ein Koloss von einem Haufen. Nicht Selten war Herr Schmidt am Fenster gestanden und beobachtete den Fuchsbau.
Ein schönes Gebilde, dachte er, kein schönes Gebilde, so unförmig.
Wie ein Haufen Kacke, bloß welches Tier kann so hohe...? Ach Herr Schmidt dachte wieder eine Ecke zu weit. Aber wie konnte man auch nicht daran denken, schließlich lief Herr Schmidt jeden verdammten Tag daran vorbei. Werktags zur Arbeit, Samstags zum Markt, und Sonntags zur Kirche, Herr Schmidt war kein recht gläubiger Mensch,"ich genieße einfach die Luft in der Kirche" sagte er seinem Freund Hans immer, der daraufhin immer den Kopf schütteln musste.
"Die Luft, die Luft, was solln das, Weihrauch und billige Kekse, da kotz ich doch, Paul!" Doch Herr Schmidt dachte, dass ihm das egal sein konnte. Er kam ja auch nie aus seiner doofen Kneipe raus, der Hans, soll sich mal garnicht aufregen, is doch noch viel schlimmer, dieser Biergestank, und von den Kippen mal ganz zu schweigen.
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Zwei
Hans, was wusste der schon, der konnte ja auch nicht viel mehr als hinterm Tresen stehen, Bier ausschenken, Aschenbecher ausleeren undsoweiter. Hans, der taugt ja zu nichts, dachte Paul, der würde es bei der Post nicht so weit bringen, nicht so weit wie ich es gebracht habe. Aber wie weit hast du es denn gebracht, Mensch?
Du lebst in deiner pissengen Zweiraumwohnung, machst jeden verdammten Tag das selbe, und du bist hast noch nichtmal einen richtigen Dienstgrad. Aber Briefe sortieren ist ja wohl schwerer als ne Kneipe zu haben, denk ich mal. "Hastn schon was vor am Samstag?" Hans' Frage schnitt sich durch seine Gedanken wie ein heißes Messer durch Butter. "Samstag! Eh, Paul, was isn, was machstn jetzt Samstag?" "Ooch, das Übliche, nichts Besonderes, aber warum fragst du, is doch erst Mittwoch, oder?" Dieses beschissene Rhetorische "oder?" hättest du dir jetzt auch sparen können, du bist bei der Post, wenn du nicht mehr weißt, welcher Tag heute ist, dann bist du verloren, dachte sich Herr Schmidt heimlich.
"Ach nur so, da kommt doch die eine aus Berlin her, diese Rosi oder so!" "Aha, eine Rosi aus Berlin kommt dann her? Is nich wahr, und wer zur Hölle ist diese Rosi? Kennt man die?!"
"Naja, die war doch schonmal da, ich dacht ja nur, die hat dir damals doch so gut gefallen, dachte ich, auf jeden fall kommtse halt hierher. Ne Woche. Wohnt im Hammer."
Das Hammer, das war wohl das Schäbigste, Heruntergekommenste, Dreckloch von einem Hotel, in das Paul Schmidt jemals einen Fuß gesetzt hat. "Die kommt extra aus Berlin hier ins Hammer? Na dann Guten Abend. Die wird sich Freuen!"
"Ach Quatsch nicht. Der ihr Kosäng ist hat das doch vor nem Jahr übernommen, das is ne richtige Adresse jetzt. Das Hammer. Ne richtige Adresse."
Wie er das sagt, "Ne richtige Adresse!" das klingt so... so unmöglich. Selbst wenn es jetzt eine "Richtige Adresse!" ist, dann ist es immernoch am Friesenplatz gelegen. Fast in seiner Straße, und von da hatte man ja den bekannten Blick auf den verfluchten Fuchsbau. "Also für mich wär das nichts!"
"ehrlich?"
Ehrlich!
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Drei
Tags darauf, war Paul ausgeruht wie noch nie, ihm war die Lust vergangen, weshalb er früh schlafen gegangen war.
Während der Arbeitstag wie jeder Andere begann, seinen Verlauf nahm, und wie jeder Andere endete, brodelte in Paul Schmidt etwas auf. Fast schon wie etwas aufkeimendes, nicht zu sagen, dass es wie immer auch die Arbeit als einfacher Postbeamter war die ihn ankotzte, das ging eigentlich schon seit seinem ersten Tag so, nein,
vielmehr war da etwas, was in ihm Gestalt annahm, etwas was sich deformierte, er konnte es ganz genau spüren.
Lokalisieren oder gar benennen, das war ihm dennoch nicht möglich, wozu auch. Der Wandel der sich in ihm vollzog, war keiner freundlichen Natur, freundlich für ihn, mag sein.
Auf dem Nachhauseweg besorgte sich Herr Schmidt zwei Flaschen Wein und eine Flasche Korn, völlig grundlos für jeden aussenstehenden, doch Paul hatte einen Plan.
Lange schon, hat Herr Schmidt nichts mehr getrunken, zumindest keinen harten Alkohol, das Bier das es bei Hans gab war eh immer schal und deshalb schon fast kein Bier mehr.
Eigentlich, überlegte Paul, was hält mich denn noch bei diesem Versager? Das Bier, die Geistreichen Gespräche, die Witze?
Es ist immer mühsam, wenn man feststellen muss, dass einem eine Jacke nicht mehr passt, von der man immer dachte es wäre die beste, immer ist es schmerzhaft, wenn einem das Muster des damals so schicken Teppichs nicht mehr zusagt, oder man die Farbe einfach scheiße findet.
Manche Menschen, leben dann einfach mit dem Kompromiss, dass sie den Teppich eiskalt Ignorieren, Manche schämen sich und ziehen die Jacken nicht mehr an, wieder Andere sind zu keinem Kompromiss bereit, sie hassen, sie wollen nicht mehr, und deswegen bleibt ihnen keine andere Möglichkeit als den Teppich, die Jacken, oder all den anderen Haufen zu verbrennen, schreddern zu lassen, weg damit, ich will die nie wieder sehen müssen.
Herr Schmidt, Paul Schmidt, mittvierziger, sozial und gesellschaftlich unterste Mittelschicht, Postbeamter, ein Fluch, das Personifizierte Scheitern, gehörte zu den letzteren, und er hatte einen Plan, einen verdammt guten sogar.
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