Rosi
"Verdammte scheiße, kein Bock!" Aufgebracht, frustriert, wie auch immer, Rosi stand vorm Spiegel im Klo der Bahnhofskneipe und schrie sich förmlich selbst an. "Kein Bock auf den Arsch und dies dreckige Kaff, warum muss der auch son kack Hotel kaufen, mitten im Nirgendwo? Na gut, sind ja aber auch nur kleine Formalitäten, aber trotzdem, ich will nücht!"
Schrecklich, wenn man seine Familie nicht ausstehen kann, man feststellen muss, dass seine nächsten Verwandten eine Gruppen Menschen sind, denen man gerne aus dem Weg geht, Leute, bei denen man aufstehen würde, säßen sie in der Bahn neben einem, notorische Versager, Volldeppen, Langhaarige, Lehrer, Postbeamte.
Nicht die Tatsache, dass die eigene Familie so schrecklich ist bereitet mir Sorgen, sondern, dass ich sie so oft sehen muss, scheiße!
Rosi verlässt nun die Kneipe, und stakst unbeholfen aus dem Bild. Die Kneipe und sie passen zusammen. Kaum zu glauben, dass sie kein Teil von ihr ist, zumindest sieht sie stark danach aus. Alt, gebraucht, verbraucht vielleicht, stumpf.
Wie gern wäre sie jetzt in Berlin, in ihrem Bezirk, ohne Familie, ohne Bindungen, in der Stadt der Gesichtslosen, in der alle Menschen zu einer einzigen Person verschmelzen. Im Brei der Nacht. Alle das selbe ausdruckslose Gesicht, aufgedruckt auf eine Hülle ohne Inhalt. Gefühle für andere haben Rosi schon immer schlecht gestanden, seit jeher hat sie sich als Einzelgängerin durchgeschlagen, hier und da mal eine kurze Beziehung gehabt, die ihr aber nie was bedeutet haben und schliesslich, ist sie hier, am Arsch, am Ende.