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Kapitel 4

Schwesterherz? Ist  alles in Ordnung? Du hast gar nicht geschrieben. Lieb dich. <3
Aus irgendeinem Grund hatte ich Tränen in den Augen. Bilder zogen an mir vorbei.
Wie er mich in den Arm nahm, wie er mich kitzelte und zum Lachen brachte. Wie er mich über Wiesen trug. Wie er einfach da war, meine Wunden verbunden hatte. Einmal im Urlaub waren wir noch sehr spät am Strand spazieren. Wir hatten uns die ganze Zeit geärgert und ich war ziemlich erschöpft gewesen. Dann hatte er mich zurück getragen und ich war auf seinem Arm eingeschlafen. Wir hatten zusammen geweint und gelacht. Verstecken gespielt. Wenn es mir mies ging hatte er mich einfach in den Arm genommen und war da. Er war der einzige Mensch, dem ich vertraute. Der einzige Mensch vor dem ich weinen konnte, vor dem ich ich sein konnte.
Mir schossen noch mehr Tränen in die Augen. Es war so schön, so einen Bruder zu haben. Doch dann ist er ausgezogen. Dann war seine Freundin da.
Eine einzelne Träne lief meine Wange herunter.
Als ich aufsah, sah ich grinsende Gesichter, Leute tuschelten miteinander und machten auch noch Fotos. Ich zwang mich zur Ruhe. Wenn du jetzt ausflippen würdest, hätten sie gewonnen. Hätten sie es geschafft. Ich senkte meinen Blick wieder, klickte mit zitternden Fingern die SMS weg. Ich beruhigte mich innerlich weiter. Ganz ruhig. Diese Fotos würden zwar auf Facebook landen, auf sämtlichen Blogs und Webseiten, aber es kann dir egal sein. Diese Menschen brauchen einfach jemanden zum fertig machen.
Meine Knie fühlten sich an wie Pudding, doch ich stand trotzdem wankend auf und lief zur vorderen Bustür. An der nächsten Haltestelle stieg ich einfach aus. Es waren noch ca. 3 km bis nach Hause, aber alles war besser als weiter in dem Bus zu sitzen. Ich entschied mich durch den Wald zu gehen und nicht an der Straße entlang.
In Gedanken versunken lief ich auf den Wald zu. Warum konnte es nicht einfacher sein, warum konnte ich meinen Bruder nicht einfach wiederhaben, also so wie früher?
Mein Handy klingelte. Ich seufzte. Diese Telepathie konnte einen manchmal echt nerven.
„Hey Bruderherz, was gibt’s?“
„Kleines, warum schreibst du denn nicht zurück? Ich hab mir Sorgen gemacht.“

Jetzt einfach nicht verdächtig klingen.

„Oh ‚tschuldigung, hab’s wohl übersehen, wollte nicht dass du dir Sorgen machst.“
„Erzähl mir nichts. Du übersiehst nie eine Nachricht. Normalerweise schreibst du schon nachdem du aufgestanden bist.“

Oh Mist, ich brauchte irgendeine Ausrede. Er durfte einfach nichts merken.

„Ähm, ja. Ich hab heute früh verschlafen und war ein wenig spät dran. Ist ein wenig stressig geworden. Tut mir Leid, dass du dir Sorgen gemacht hast, war aber nicht notwendig.“
„Kleine, irgend etwas stimmt nicht. Ich merke das. Und ich weiß es auch. Erzähl mir bitte
was los ist.“

Verdammt. Wie machte er das nur?

„Nein es ist nichts. Wirklich. Du, ich komm gleich durch das Waldstück, da habe ich keinen Empfang. Ich leg dann jetzt mal auf.“
„Halt Stopp, was verdammt noch mal ist los? Und warum das Waldstück? Bist du nicht Bus gefahren? Ich glaube ich sollte heute vorbei kommen.“
„Nein passt schon, tschüss.“

Schnell legte ich auf. Verdammt, verdammt, verdammt.
Er sollte nichts merken.
Er wusste nicht wie es mir ging. Also er wusste schon eigentlich alles, aber nicht wie es mir wegen ihm ging.
Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass ich schon im Wald war.
Ich genoss die Stille, die Ruhe.
Das allein sein. Nicht so wie in der Schule. Sondern wirklich allein. Ich beschloss mich noch ein wenig hinzusetzten. Hausaufgaben konnte ich eigentlich auch hier machen, hier war es schön. Hier war es nicht wie zuhause, nicht wie in der Schule, nicht wie unter anderen Menschen.
Ich setze mich auf einen umgefallen Baumstamm und wollte grade meine Schultasche absetzen als die Stimmung umschlug.
Mir wurde plötzlich eiskalt, obwohl die Sonne noch da war, wo sie davor war und auch kein Wind war. Es raschelte hinter mir. Plötzlich kam Panik in mir auf. Mein Kopf fühlte sich an wie leer gepustet. Ich registrierte nichts mehr. Ich spürte nur noch, dass ich weg musste. Doch ich war wie erstarrt. Meine Augen waren weit aufgerissen. Meine Hände schwitzen. Mein ganzer Körper zitterte.  Irgendwas war hier los. Irgendetwas stimmte nicht. Entweder generell, oder nur mit mir. Mein Herz raste wie verrückt. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Eine Berührung löste mich aus meiner Starre und ich rannte los. Rannte so schnell ich konnte. Ich hatte Todesangst.

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