Es war im April.
Wärmer als jetzt. Im Juli.
Es war schon dunkel, nach 22 Uhr.
Ich wollte nach Hause, hatte dich den ganzen Tag nicht erreicht und war böse.
Nicht böse - enttäuscht.
Du warst immer angepisst, wenn ich mich den ganzen Tag nicht gemeldet hatte, aber du, du hattest natürlich das Recht sowas zu machen.
Hattest du immer.
Du hattest immer andere Rechte als ich.
Durftest zu spät kommen, obwohl du wusstest, wie sehr ich Unpünktlichkeit hasse.
Durftest nachts wieder nach Hause fahren, obwohl du wusstest, wie sehr ich es hasse, alleine einzuschlafen.
Durftest dies, durftest das, durftest alles.
Und ich hab immer alles verziehen, war ja klar.
Es war nach 22 Uhr als mein Handy klingelte.
Es war ein Freund von dir, ein Freund von mir.
Ich freute mich, hatte lange nicht mit ihm gesprochen, aber war verwundert, warum er um diese Uhrzeit anrief.
"Was gibt's denn?"
"Wo bist du?", wollte er wissen.
Auf'm Weg nach Hause, sagte ich. Ich hol dich jetzt ab, sagte er.
Warum, wollte ich wissen. Siehst du dann, meinte er und legte auf.
Ich hatte ein seltsames Gefühl im Bauch.
Es war warm gewesen am Tag, an so Tagen warst du immer mit dem Motorrad unterwegs.
Du liebtest das Risiko und gingst es oft ein.
Adrenalin war deine Droge.
Eigentlich hatte ich dabei nie Angst um dich, ich wusste, du kanntest dich gut genug.
Und wenn ich was gesagt hätte, fährst du trotzdem weitergefahren.
Ich wurde also abgeholt. Mit dem Motorrad. Ironie des Schicksals.
Was denn bitte los sei, wollte ich wissen.
Er sagte nichts, gab mir den Helm, packte mich hinter sich und fuhr in die Stadt.
Er brachte mich ins Krankenhaus, Treppen hoch, Türen auf, an Menschen vorbei, in ein Zimmer.
In einem Bett lag jemand, Schläuche, Pflaster, Verbände, Apparate.
Ich erkannte dich nicht.
Blut.
Ein Arm hing aus dem Bett, am Handgelenk ein silbernes feingliedriges Armband.
Dein Armband.
Ich drehte mich um.
"Was-?"
Ein Atemzug.
"Er ging zu schnell in die Kurve. Weißt du, oben die Kurve, wo er immer fährt. Er war viel zu schnell, 50, 60 Sachen zu schnell, keine Ahnung. Der LKW-Fahrer hat ihn quasi nicht gesehen, voll drüber. Keine Ahnung. Überall war Blut, die anderen waren schneller bei ihm. Ich .. keine Ahnung."
blaue Flecken.
Ich blieb die ganze Nacht an deiner Seite. Ein paar Mal kamen Schwestern. Einmal ein Arzt.
Du bist nicht aufgewacht.
Nicht einmal.
Nie wieder.
In meinem Herzen bist du immer wach.