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"Kate hat dir was vorbei gebracht, ich habs dir auf dein Bett gelegt." Verwirrt sah ich meine Mutter an, "was hat sie denn gebracht?" "Ich glaube ein Film, soweit ich das sehen konnte sah es aus wie eine DVD."
Ich nahm meine Tasche und lief hoch. "Wieso bringt Kate mir eine DVD vorbei?", murmelte ich beim hoch gehen leise vor mich hin.
Ich setzte mich auf mein Bett und legte die DVD in meinen Laptop. "Na dann wollen wir mal."


Es war Dienstag, ein ziemlich kalter Wintertag. - Vielleicht kannst du dich noch dran erinnern, Alice? Wie so oft gingen wir schweigend neben einander her. Weißt du noch früher? Früher haben wir immer so viel geredet, wenn wir nach hause gingen. So viel gelacht. Wir waren kurz vor deiner Straße. "Hast du heute schon was vor?", fragte ich dich wie so oft. Und wie so oft sagtest du mir, dass du schon was vor hattest. Du wolltest dich mit Sarah treffen.
Und weißt du, es tat weh das von dir zu hören. Ich wusste es würde wieder ein Tag alleine in meinem Zimmer werden.. Ich hab mich aufs Bett gelegt und mich in meinen Gedanken verloren. Willst du wissen was ich gedacht habe? Ja? Gut, dann les ichs dir vor. Um ehrlich zu sein habe ich in den letzten Wochen alle meine Gedanken in dieses Buch geschrieben. Einfach alle.
Okey, fangen wir mal an. "Was fühlt sich leer in mir an. So oft ist da dieser Schlag, mitten ins Gesicht. Ich möchte nicht mehr als meine beste Freundin zurück, das ist alles. Es ist, als würde sie mich meiden.. Es brennt in mir. Nicht noch einmal kann ich so jemanden verlieren, nicht nochmal."



Ich musste die DVD einfach anhalten. Ich hatte gerade mal zwei Minuten ihrer Stimme gelauscht, doch es fühlte sich wie eine Qual an. Ich kannte dieses Buch sogar. Sie trug es immer mit sich rum und kritzelte Sachen rein. Sie meinte immer das es bloß Dinge sind, die sie noch erledigen müsse. Wieso hab ich nicht gemerkt, dass sie lügt? Wieso hab ich nicht gemerkt, dass es ihr so schlecht geht?
Ich nahm meinen Laptop auf den Schoß, lehnte mich zurück in meine Kissen und drückte wieder auf Play.


Es vergingen so viele Tage, an denen ich mir vor kam, als würde ich Luft für dich sein.Wie kannst du sowas nur denken? Ich vermisste so sehr deine Gegenwart, so sehr. Irgendwie haben wir uns in wenigen Tagen immer mehr auseinander gelebt. Ich weiß nicht ob du das Gefühl auch hattest, ich hatte es jedenfalls schon.
Kannst du dich an den Tag erinnern, an dem die schwere Matheklausur anstand? Du weißt, ich und Mathe das verträgt sich nicht sonderlich. Den ganzen Tag habe ich gepaukt, ich saß in meinem Zimmer zwischen gefühlten hundert zerknüllten Blättern. Alles was ich rechnete ging nicht auf. Ich war wirklich am verzweifeln. Und du bist schon immer meine Rettung in Mathe gewesen. Zehn mal habe ich bei dir klingeln lassen, hab dir auf die Mailbox gesprochen, hab dir Nachrichten geschrieben, aber nichts kam zurück, nichts. Ich weiß nicht, was du gemacht hast, aber ich hätte dich gebraucht. Aber weißt du, ich konnte dir nicht böse sein, auch wenn ich wegen der Klausur kleben geblieben bin.

Weißt du, es brennt einfach in mir, wie du mich vergessen hast. Aber ich hab angefangen das Gefühl zu verdrängen und ja, ich kam eigentlich klar damit. Es tat zwar weh, zu sehen wie du so glücklich mit Sarah warst, aber es machte mich auch irgendwie froh, dass du glücklich bist. Und das du z.B. auch so glücklich mit Marc warst, das freut mich wirklich sehr - auch, wenn ich ihn nicht leiden konnte. ..Zumindest später nicht mehr. Aber dazu komme ich später.
Wieso mochte sie Marc denn später nicht mehr? Ich dachte immer sie verstanden sich gut, jedenfalls sagte Marc das immer.


Ich weiß, Weihnachten ist schon länger vorbei, aber ich hab hier noch ein kleines Geschenk für dich, ich hatte keine Möglichkeit es dir früher zu geben. Was heißt früher? Bald ist ja schon wieder Weihnachten, aber ich hab es letztes Weihnachten nicht geschafft.. Warte ich hol es eben. .. So hier ist es. Ich weiß, du liebst Giraffen und als ich die kleine Giraffe da in dem Laden gesehen habe, wusste ich einfach, dass sie perfekt für dich ist. Sie wartet hier auf meinem Bett auf dich, also du kannst sie dir jeder Zeit abholen.
Die DVD stockte und es wiederholte sich genau vier mal, wie sie sagte "abholen". Ein mieses Gefühl kam in mir auf, als sich das so wiederholte. Eine kleine Träne kam über meine Wange gekullert. Weitere Tränen wurden von meiner Mutter gestoppt, sie kam in mein Zimmer gestolpert, ich drückte auf Stopp und klappte den Laptop ein Stück zu, damit sie nichts sehen konnte. Sie kam näher und lächelte mich an "Ich fahr eben zu Grandma, wegen Weihnachten alles abklären." "Okey, bestell ihr viele Grüße." Und so schnell sie da war, so schnell war sie auch wieder verschwunden.  


Gepackt von einer Art Neugier klappte ich meinen Laptop wieder auf und sah mir ihre DVD weiter an.
Weißt du, die Sache mit dir, John, war vielleicht was Naiv und dumm, aber ich kann mich nicht wirklich drüber beklagen, es gab gute aber auch schlechte Dinge. Klar ihr wusstet alle, das wir 3 Monate zusammen waren. Und irgendwie kann ich mich auch nicht darüber beschweren. Im groben und ganzen waren es schöne Monate. So konnte ich wenigstens für eine Zeit vergessen, was zwischen Alice und mir war. Oder eben nicht war. Ich weiß noch, wie alle über uns geredet haben, ja ich hab die miesen Kommentare alle gehört, einfach alle. Aber weißt du, auch wenn ich immer gesagt habe, dass sie an mir vorbei gehen, sie haben mich getroffen, genau mitten rein. Mitten in das angeblich pochende Teil, oben links in der Brust. Ich denke nicht, dass es euch aufgefallen ist, sonst hättet ihr wohl damit aufgehört. Oder auch nicht. - Ich weiß es nicht. Und die Sprüche als Schluss mit John und mir war, waren die schlimmsten. Ihr hattet doch alle keine Ahnung. Nein, ihr hattet keine Ahnung. Soll ich euch sagen wieso Schluss war? .. Wegen seinen Eltern. Sie meinten ich sei nicht gut für ihn, ich glaube niemandem ist verborgen geblieben, dass meine Mutter ein kleines Alkohol Problem hat. Seine Eltern machten ihm so enormen Druck das er irgendwann nicht mehr konnte und ich konnte ihn verstehen. Hörst du John? Ich konnte dich verstehen. Und es war nicht, weil ich es im Bett nicht gebracht habe oder so, wie ihr immer so schön meintet. Nein, nicht deswegen. Einmal haben wir miteinander geschlafen, schön war es nicht, geb ich zu. Er zog mich einfach aus, selbst als ich sagte das er nicht weiter machen solle machte er weiter. Ehe ich mich versah lag er auf mir und stieß mich ins Bett, komischer Weise fand ich irgendwann auch gefallen daran. Keine Ahnung wieso. An dieser Stelle danke John, danach plagte mich die Angst schwanger zu sein. Aber bevor neue Gerüchte aufkommen, nein ich.war nicht schwanger.Wieso habe ich von all dem nichts gemerkt?..
Es tut weh zu sehen, wie sie da sitzt. So einsam, in ihrem dunklen Zimmer, sie sieht so unschuldig aus, aber irgendwas lässt sie kaputt wirken. Ihr stehen die Tränen so in den Augen - genauso wie mir.


Seit dem das mit John zu Ende war, kam das mit Alice wieder hoch, dabei dachte ich, dass ich es so gut verdrängt hätte. Aber das war wohl falsch gedacht. Die Tage in denen ich sie sah, aber nicht mit ihr sprechen konnte, waren schlimmer als alles andere.
Ich kann mir grade richtig gut vorstellen, wie du da sitzt und dir denkst "Natürlich hättest du mit Alice reden können." Ja, ich hätte zu ihr gehen können. Aber ich konnte es nicht ertragen, ich konnte es nicht ertragen wieder wie Luft behandelt zu werden, einfach abgewiesen zu werden. Vielleicht war es nicht deine Absicht, Alice, aber es tat weh, sehr weh sogar. Und grade jetzt, jetzt hätte ich dich gebrauchen können.
Ihr liefen die Tränen wie kleine Kristalle über ihre zarten, dünnen Wangen. Und mit einem mal fiel mir auf, das sie abgenommen hatte. Ihre langen Arme waren noch dünner, als sonst. Ihre Wangenknochen kamen etwas mehr hervor. Dick war sie noch nie, aber so dünn? Nein, das war sie auch nicht.

Habt ihr gemerkt, was auf unserer Schule los war? Wie sich alles verändert hat? Eigentlich da waren wir doch immer alle ..einfache Menschen. Aber plötzlich war das nicht mehr. Es war, als hätten Stacy und ihre Freunde unsere Schule beherrscht. Es war wie in einem dieser schlechten Filme. Diese Filme kennt doch jeder. Filme in denen es darum geht, wie kleine Zicken die Schulen beherrschen und am Ende wendet sich alles zum guten, weil einer der 'Außenseiter' den Mut beweist sich gegen alle anderen zu stellen. Aber etwas davon fehlte an unserer Schule. Du fragst dich was? - Dabei liegt es auf der Hand. Es waren die 'Außenseiter' die fehlten, die sich gegen Stacy und alle anderen wehrten. Es gab und gibt sie immer noch nicht. Stacy? Du hast unsere Schule zerstört. Wieso müssen alle so sein, wie du das willst? Was ist falsch daran, wenn manche Punks sind? Was ist falsch daran, das hier und da welche Schwul sind? Nichts! Rein gar nichts ist falsch daran!
Aber dank dir denken das doch alle. Alle machen sie genau die Leute fertig. Und ich, ich gehöre auch zu den Leuten. Immer hast du mich fertig gemacht, Stacy. Auch, wenn mir egal ist, was du denkst, frage ich mich, was dich so sehr an mir stört? Ist es, weil ich keine Barbie bin? - Dann entschuldige bitte, dass ich nicht so sein will. So grauenvoll, so hässlich. Mich hinter etwas verstecken, was ich nicht bin!

Die DVD stoppt. "Ende? Hier kann doch noch nicht Ende sein. Nein, das darf nicht sein." Wie verrückt suchte ich die Hülle, in der die DVD drin war. Sie lag auf dem Boden.
Es gab noch eine DVD. Ganz schnell holte ich sie raus und wechselte sie.
"Kate hatte so recht, Stacy hat unsere Schule zerstört und wir alle haben mit gemacht, wir alle - auch ich.", muss ich mir still eingestehen.

'tschuldige, dass es mitten drin unterbrochen wurde. Wo war ich dran? Achso, ich weiß.
Nur, weil ich mich nicht dahinter verstecken will habt ihr mich alle fertig gemacht, jedenfalls kommt es mir so vor, als sei es deswegen. Wenn es einen anderen Grund gibt, dann sagt ihn mir. Mir will es nämlich nicht  einfallen.
So oft durfte ich mir Sprüche von euch anhören. Nun, dann bin ich eben keine dieser 'Partymäuse' die jedes Wochenende einen neuen Typen am Start haben und vielleicht bin ich auch irgendwie anders als ihr, aber deswegen müsst ihr mich doch nicht fertig machen.
Oder?

Das schlimmste für mich war, als ihr damit anfingt Lügen über mich zu verbreiten. Wisst ihr eigentlich wie oft Leute mich gefragt haben, ob das alles stimmt? Es tat so weh, vor allem, was ihr euch habt einfallen lassen.
Ich soll mir, laut euch, jeden Tag die Nadel in den Arm stecken? Habt ihr überhaupt eine Vorstellung davon, was wegen dem Gerücht alles auf mich zukam? Auf mich und meine Familie. Jeden Nachmittag, nach der Schule, musste ich zu Mr. Spencer. Wart ihr schon mal da? Musstet ihr schon mal zum Vertrauenslehrer? Jeden Nachmittag sah er sich meine Arme an, ob ich Einstiche hätte. Drei Monate lang musste ich jeden Nachmittag zu ihm, ihm immer versichern, das ich nicht abhängig bin.
Ich hab dieses Gerücht irgendwie nie geglaubt, wobei ..durch deine Mutter war es nah liegend.
Ehrlich gesagt, war ich so naiv und dachte, dass jetzt alles ein Ende hat, nach den drei Monaten. Aber wie gesagt, ich war naiv. Es war nicht zu Ende. Es fing gerade erst an.



"Wo ist Mum?", erschreckte mich Marry, als sie in mein Zimmer kam. "Ehm, die ist bei Grandma." Marry musterte mich. "Hast du geheult?" Sie deutete auf das Taschentuch, was neben mir lag. "Nein, ich werd glaube ich krank.", nuschelte ich vor mich hin. "Dann mach ich lieber die Fliege." , sagte sie noch schnell und dann war sie wieder weg. Als die Tür zufiel drückte ich sofort wieder auf Play. Es war komisch, aber es war wie eine Art Sucht. Auch wenn es weh tat, mit anzusehen, wie Kate da auf ihrem Bett saß und weinend erzählte, konnte man nicht anders und musste ihren Worten einfach lauschen.


Ich weiß noch, als ich an meinem Laptop saß und meine Hausaufgaben machte, auch wenn ich mich nicht drauf konzentrieren konnte. Plötzlich bekam ich eine E-Mail. Niemandem hab ich sie gezeigt, wirklich niemandem. Das habe ich mich nicht getraut. Vielleicht habe ich mich auch ein Stück weit zu sehr ..geschämt? Auch jetzt werde ich sie nicht zeigen. Ich werde sie dir vorlesen und ich werde dir sagen, wieso ich sie niemandem zeigen werde.
"Hey, Kate. Was sitzt du da so still vor deinem Laptop? Willst wohl Hausaufgaben machen, hm? Was hältst du davon, wenn du dich umziehst, damit ich auch meinen Spaß habe?" Ich fing sofort an zu zittern, vor schreck. Ich hatte keine Ahnung, wer das geschrieben hatte. Ich sah mich in meinem Zimmer um, alles war wie immer. Ich blickte wieder auf die E-Mail und sah, das ein Anhang dabei war. Und genau das ist der Grund, wieso ich die E-Mail nicht zeige. Es war ein Bild von mir dabei. Ein nackt Bild. Es war irgendwann nach dem Duschen entstanden. Irgendjemand beobachtete mich.
Ich hatte Angst in meinem eigenen Zimmer zu sein. Ich dachte es würde bei dieser E-Mail bleiben, aber da habe ich falsch gedacht. Ich bekam immer mehr E-Mails, immer mehr Bilder von mir.
Ich hatte Angst, große Angst. Irgendjemand sah mich jeden Tag hier sitzen, sah was ich immer machte. Ja, vielleicht sieht er mich auch jetzt hier sitzen. Ich weiß es nicht, ich weiß nicht einmal, wer es ist. Oder wie lange dies schon geht - ich habe keine Ahnung. Aber eins weiß ich, ich habe Angst. Große Angst.

"Was?", stieß ich hervor. Welches Schwein macht sowas, vor allem wie hat er das gemacht? Oh mein Gott. Ich starrte auf meinen Laptop. Wie Kate da eine Weile still auf ihrem Bett saß und nach dachte. Was ging wohl grade in ihrem Kopf vor? In diesem Moment wollte ich nichts lieber, als dort neben ihr zu sitzen und sie in den Arm zu nehmen, für sie dazu sein.
Ihr würdet jetzt sicher sagen, dass ich das jemanden hätte erzählen sollen. Aber wem? Vielleicht meiner Mutter? - Natürlich, damit ich ausgelacht werden würde, da sie sowieso nur im Rausch war. Es gab niemandem dem ich das erzählen konnte, einfach niemandem. Was meinst du, wieso ich hier vor der Kamera sitze und alles ihr sage? Richtig, weil ich niemanden sonst habe. Alice habe ich verloren.
Um ehrlich zu sein, habe ich grade in diesem Moment Angst, das 'er' mich auch jetzt beobachtet. Das er mich all die Tage beobachtet hat, heißt, dass er so viel über mich in der Hand hat. Er weiß Dinge, die niemand weiß. Er hat Dinge gesehen, die niemand weiß. Und nein, damit meine ich nicht irgendwelche schmutzigen, anstößige Dinge.
Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ihr Blick war leer, leer in die Kamera gerichtet. Es war, als würde sie dir direkt in die Seele gucken.


Denk doch mal bitte an den Sommer zurück, wie schön warm er war. Findest du nicht auch? Also ich persönlich fand ihn sehr heiß."Du hast ja auch immer lange Oberteile getragen, Kate." Vielleicht erinnerst du dich ja auch daran, dass ich immer lange Oberteile trug? Immer habe ich gesagt, dass mir nicht warm sei, aber das war gelogen. Natürlich war mir warm. Mir war sehr warm. Ich habe mich so nach dem Winter gesehnt, damit ich endlich ohne Qual lange Oberteile tragen konnte.
Das war natürlich auch ein Grund für Stacy mich runter zu machen, aber um ehrlich zu sein, war mir das da schon ziemlich egal geworden. Sie hatte ja keine Ahnung, was der Grund war.
"Das hatte keiner, Kate.", nuschelte ich leise und überlegte wieso sie nur lange Oberteile trug. Doch dann stand sie plötzlich auf, kam näher an die Kamera heran und schob die Ärmel von ihrem Pullover hoch. Ihre Arme waren übersehen von Narben. Manche waren ganz klein, aber da waren auch große bei. Es war doch offensichtlich, wieso ist uns das nicht in den Sinn gekommen? Wieso hab ich mir das nicht eher gedacht? Sie ging wortlos wieder zurück zu ihrem Bett, zog die Ärmel runter und setzte sich hin.
Anfangs da tat es sogar noch weh, aber jetzt, jetzt nicht mehr. Es tut nicht weh, wenn die Klinge über meine Haut schneidet, es ist, als wäre es ..ganz einfach und ..naja, normal.
Jetzt habe ich es erzählt. 'Er' hätte es nicht mehr in der Hand, um mich damit als verrückt darzustellen. Vielleicht denkt ihr auch jetzt, ich sei verrückt. Aber ich kann einfach nicht mehr. Ich bin am Ende meiner Kräfte.
Jede Nacht liege ich in meinem Bett und weine mich in den Schlaf, wenn ich überhaupt schlafen kann. Immer ist da diese Angst in meinem Nacken, dass da jemand ist, der mich pausenlos beobachten kann. Und es auch tut. Bitte lass es sein, bitte.

Sie brach ab, streckte ihren Arm aus und drückte einen Knopf auf der Kamera. Einen Moment lang war nur ein schwarzes Bild zusehen. Und dann war da plötzlich ihr Bett, aber es war leer, sie saß nicht mehr da. Man konnte dumpfe Schritte hören. Sie kam wieder.
Tut mir leid, meine Mutter kam nachhause. .. Weiter im Text. - Ach übrigens, du musst dir das nicht ansehen, wenn du nicht willst drück einfach stopp, das wär für mich auch okey.
Aber ich laber jetzt erst mal weiter.
Ich hab eben mal irgendwann gesagt, dass ich Marc nach einer gewissen Zeit nicht mehr leiden konnte.. Ich denke, dass es Alice am meisten interessiert, wieso nicht.

Am 8. Dezember war doch dieses 'ChristmasCrush'? Alle waren da, naja alle mit gutem Musikgeschmack. Sie lachte kurz, als sie das sagte. Es war schön ihr Lachen zu sehen und es leise hören zu können. Es waren nur gute Bands da, kein Schlager, keine Volksmusik, keine Chartscheiße .. einfach gute Rock Musik. So wie es sein muss. Und genau deswegen habe ich mich auch dorthin geschleppt. Ich wollte einfach nochmal einen Abend haben, an dem ich nicht Zuhause in meinem Bett liege und weine, sondern einfach Spaß habe.
Und ich hatte Spaß, ich denke, den hatten wir alle. Ich muss zugeben wir waren wohl alle ziemlich angetrunken. Wieder dieses kleine niedliche Lachen. Manche waren wohl auch vollkommen betrunken, so wie Marc zum Beispiel. Weißt du Alice, es tat gut nochmal so einen Abend mit dir einfach zu feiern. Es war schön deine Nähe zu spüren und zu sehen, wie glücklich du bist. Und umso mehr leid tut es mir, wenn ich dir das hier jetzt erzähle. Bitte hass' mich dafür jetzt nicht.
Weißt du noch, als du mit ein paar anderen los gegangen bist, weil ihr was besorgen wolltet? Ich weiß sogar nicht mal mehr, was es war. Aber das spielt eigentlich keine Rolle. Nun ja, Marc und ich haben weiter gefeiert. Es machte richtig Spaß. Wir haben uns auf das eine Sofa verzogen, weil unsere Beine vom vielen stehen weh taten. Ich weiß noch genau seine Worte "Komm mal mit, ich muss dir was zeigen." Nur hat er dabei ziemlich gelallt. Marc ist grundsätzlich ein netter Typ, anständig. Normal eben. Also bin ich ihm gefolgt. Plötzlich standen wir vor den Toiletten. "Soll ich dir jetzt beim pinkeln helfen, oder was?" Hab ich ihn noch lachend gefragt, bevor er mich rein gezogen hatte. Sie atmete tief aus. Wir ..nein, also .. wie sag ich es, damit es nicht falsch rüber kommt? Nunja, er schloss die Tür ab und alles ging so schnell, zu schnell. Ganz schnell hatte er mich auf seinem Arm und ..du weißt schon, Alice. Aber bitte glaub mir, ich habe das nicht gewollt. Ich wollte das er aufhört, aber er tat es nicht. Er hörte nicht auf, er hielt mich fest.
Sie brach in Tränen aus. "Das kann gar nicht falsch rüberkommen!", raunzte ich meinen Laptop an. Was ein Arsch!
Das gab mir ehrlich gesagt den Rest, das war zu viel von allem Marc. Es war einfach zu viel, viel zu viel.
Deswegen habe ich beschlossen dir das Video zu geben. Ich habe aufgegeben. Einfach so verschwinden? -Nein, das wollte ich nicht. Du solltest wissen wieso, es reicht wenn du es weißt. Ich liebe dich, bitte vergiss mich nicht.



Man hörte leise dumpfe Schritte und leises ruhiges atmen, als sie zur Kamera ging. Dann war es schwarz. Sie war weg.
Weinend lief ich die Treppe runter, schnappte mir mein Rad und fuhr trotz eisiger Kälte zu Kate. Es war schwer durch die dünne Schneeschicht zu kommen, weil es grade erneut schneite. Die Kälte brannte in meinem Gesicht, aber das war mir egal. Ich musste einfach nur noch zu Kate.
Es war grade mal 3 Tage her, das Marc ihr das angetan hat. Wieso habe ich das einfach nicht gemerkt? Wieso nicht?
Ich weinte immer heftiger und der Wind fühlte sich wie tausende Stiche in meinem Gesicht an.
Ich bog in ihre Straße und wurde immer langsamer, als ich vor ihrem Haus die Polizei sah. Ich stieg von meinem Rad ab und rannte och in die Wohnung zu ihrer Mutter. Sie saß einfach da, vollkommen im Rausch.
"Was ist hier los?", sah ich sie an. Keine Reaktion. Ich rüttelte fest an ihr und schrie sie an "WAS IST HIER LOS?" Immer noch nicht mehr, als ein leerer Blick.
Einer der Nachbarn nahm mich von ihr weg. "Beruhige dich, es geht um Kate. Sie hat versucht sich umzubringen." Ich fing an laut stark zu weinen. "Was? Geht es ihr gut? Wo ist sie?" Die Frau nahm mich in den Arm und versuchte mich zu beruhigen. "Sie wurde ins Krankenhaus gebracht, ich weiß nicht genau, wie es ihr geht. Der Notarzt sagte sie habe sehr viel Blut verloren."
Sofort sah ich das Bild vor mir, wie sie mit aufgeschnittenen Armen hier in der Wohnung gelegen haben muss und ihre Mutter hatte nichts gemerkt. Es tat weh, es tat höllisch weh in mir. Die Vorstellung war zu grausam.
Ich lief runter, schnappte mein Rad und fuhr so schnell ich kann ins Krankenhaus.
"Wo finde ich Kate Stewardsen?", fragte ich vollkommen außer Atem an der Info. "Gehören sie zur Familie?" Ich verlor die Nerven. "Nein, aber außer mir hat sie niemanden. Ihre Mutter ist eine Alkoholikerin die gerade lachend in der Wohnung sitzt, bitte lassen sie mich zu ihr." Die Arzthelferin sagte mir endlich doch wo ich sie finden kann.

"Kate!", rief ich, als ich sie durch die Glasscheibe sehen konnte. Eine Krankenschwester sagte mir, das sie im Koma liegt.
Ich ging rein, setzte mich an ihr Bett und weinte. Ich nahm ihre verbundene Hand und weinte einfach nur.
"Ich bin da, Kate. Ich bin da, alles wird gut. Ich bin für dich da. Hörst du? Ich bin bei dir."
Plötzlich kamen mir alle Bilder in den Sinn, alles was wir zusammen erlebt hatten. Einfach alles. Wie wunderbar die Zeit mit ihr war und wie ich sie einfach alleine lies.

12. Dezember, 06:37 Uhr, klingelte das Telefon. Es war das Krankenhaus. "Sie hat es nicht geschafft."


Ich ging zu ihrem Grab und erzählte ihr wie das Leben so ohne sie war, wie einsam es war. Wie sehr ich sie vermisste.
Legte einen kleinen Zettel unter eine Blume, damit er nicht weg fliegen konnte und ging wieder.

                                                                      Hey, Kate.
                                              Es tut mir leid, dass ich dich
                                              allein gelassen habe, dass
                                              ich nicht für dich da war.
                                              Jetzt bin ich die, die allein
                                              gelassen wurde. Ironie,
                                              würde Mrs. Sue jetzt sagen.
                                              Aber ich finde nicht, dass
                                              es Ironie ist. Es ist ..eher
                                              schrecklich. Ich werde
                                              dich niemals vergessen,
                                              egal was passiert.
                                              Deine beste Freundin,
                                                                                 Alice.

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