Ich weiß noch, als ich klein war, meine Mum mich abends ins Bett gebracht hat, mir übers Haar strich, mir einen Gutenachtkuss gab und mich mit diesem Mutterblick ansah, voller Stolz, voller Liebe, voller Emotionen. Jeden Abend erzählte sie mir die gleiche Geschichte, eine märchenhafte Geschichte über heldenhafte, furchtlose Ritter, hilflose Prinzessinen und grauenhafte, angsteinflößende Monster. Jeder kennt doch diese Geschichten, in denen der Ritter das böse, unbesiegbare Monster wider aller Wahrscheinlichkeit besiegt, um die Prinzessin in Nöten zu retten und mit ihr glücklich in die Dämmerung zu reiten. Jeden Abend war ich gespannt, wie die Geschichte endet. Kann der Ritter das Monster besiegen? Kann er die Prinzessin retten? Wird es ein Happy End geben? Werden alle glücklich sein? Unzählige Male schlief ich mit dem Bild des siegreichen Ritters vor Augen lächelnd ein.
Irgendwann habe ich realisiert, dass die Geschichte nicht einfach nur ein Märchen, sondern eine Darstellung der Realität ist. In der Realität gibt es auch Ritter, Menschen, die jeden Tag kämpfen. Die gegen Monster kämpfen. Mutige Helden, die nicht fortlaufen, nicht aufgeben. Menschen, die sich dem Monster stellen. Doch Monster sind nicht immer nur fremde Geschöpfe. Monster sind Ängste, sind Zweifel. Ihre Monster sind ihnen bekannt, ihre Monster sind ein Teil von ihnen. Ihre Monster sind in ihnen. Tag und Nacht, Minute um Minute. Diese Menschen stellen sich dem Monster, stellen sich sich selbst, ohne zu wissen, ob sie als Sieger aus diesem Kampf gehen, ohne zu wissen, wer überlebt. Sie oder das Monster? Ich oder das Monster?